Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

530 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
staaten. Nur in diesem Sinne giebt es „eigene Truppen“ der Landes- 
herren. 
Die Rechte der Landesherren sind in keinem Sinne 
Rechtens Zeusnis und Ausflufs der Militärhoheit. Denn es fehlt 
ihnen in erster und oberster Voraussetzung für die Anwendung dieses 
Begriffes ein eigenes Heer. Alle ihre Rechte sind vielmehr ver- 
einzelte Rechte der Einflulsnahme auf die Organisation und die Ver- 
wendung der kontingentsweise gegliederten Bestandteile eines ihnen 
im Rechtssinne fremden, nämlich des einheitlichen Heeres des 
Reiches — mag auch diese Rechtslage für das preufsische Kontingent 
durch das Zusaimmenfliefsen der kaiserlichen und königlichen Rechte 
in einer Person und damit durch die Firma der „preufsischen Armee“ 
thatsächlich verdunkelt ‘werden. 
Das gewonnene Ergebnis empfängt seinen letzten Abschluls durch 
die Frage, die an den Vorgang der amerikanischen Unionsverfassung 
anknüpft: Sind die Einzelstaaten berechtigt neben dem Reichsheer 
eine gleichartige Kriegsmacht für ihre besonderen Zwecke zu organi- 
sieren? Sie ist nicht nur nach ihrer praktischen, sondern auch nach 
ihrer rechtlich formalen Möglichkeit zu verneinen. 
Die Reichsverfassung bekundet in a. 59 durch die Regelung der 
individuellen Dienstpflichten und in a. 60 durch die geforderte gesetz- 
liche Fixierung der Friedenspräsenzstärke die unzweideutige Absicht, 
dafs das Mals derjenigen Dienstpflichten, welche die eigenartige Natur 
des militärischen Zwangsdienstes an sich tragen, sowohl für die Einzel- 
nen, als auch für die Gesamtheit von Reichs wegen festgestellt werde. 
Die Einzelstaaten haben infolgedessen nicht das Recht durch ihre 
Gesetzgebung gleichartige Verpflichtungen sich selbst gegenüber zu 
begründen und das gemeingültige Mafs derselben nach beiden Seiten 
hin anders zu bestimmen. 
Das Reich hat nicht minder ausschliefslich das Recht des Krieges. 
Damit ist jede Organisation zu Kriegszwecken — und diese sind es, 
die vorzugsweise das Wesen der Kriegsmacht ausmachen — für die 
Einzelstaaten ausgeschlossen. 
Für die Einzelstaaten kann es sich nur um das Recht handeln, 
Organisationen zu schaffen, die ausschlieflslich für ihren inneren Dienst 
bestimmt sind und die entweder — wie die (Grendarmerie — auf 
beamtenmälsiger Übernahme des Dienstes beruhen oder doch — wie 
bei einer Bürgerwehr — nur der durch ihren Zweck beschränkten, 
von der militärischen sich abhebenden Zwangspflicht der Bürger ent- 
sprechen, bei Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung mitzuwirken. 
Dieses Recht aber gehört der Zwangsgewalt der Einzelstaaten an.
	        
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