Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

532 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Von diesen Aufgaben hebt die Reichsverfassung ausdrücklich die 
durch al. 6 a. 3 bezeichnete: „Dem Auslande gegenüber haben alle 
Deutschen gleichmälsigen Anspruch auf den Schutz des Reichs“ her- 
vor. Sie wiederholt dieselbe in den Kompetenzbestimmungen des 
a.4 Nr. 7: „Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen 
Handels im Auslande, der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur 
See und Anordnung gemeinsamer konsularischer Vertretung —“. Aber 
zweifellos sind damit die völkerrechtlichen Aufgaben des Reiches nicht 
erschöpft. Ihm liegt es vielmehr — wie schon seine allgemeine Zweck- 
bestimmung ergiebt — nicht minder ob, die Existenz, die Rechte und 
Interessen sowohl seiner selbst als Gesamtheit, wie seiner verfassungs- 
mälsigen Gliederungen, der Einzelstaaten, in der Völkergemeinschaft 
zu Schützen und zu fördern. 
Auf dieser allgemeinen Grundlage entwickelt sich die Kompetenz 
des Reiches nach den zwei Seiten hin, welche die Thätigkeit jedes 
Staates auf dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten aufweist. 
1. Zunächst ist dies eine lediglich nach aufsen gewandte 
Thätigkeit. Sie nimmt unmittelbar die Staatsgewalt des auswärtigen 
Staates zum Gegenstande. Sie entfaltet sich in den wechselseitigen 
Einwirkungen, welche die Staaten als Einheiten der Völkerrechts- 
gemeinschaft aufeinander ausüben. Sie äulsert sich wesentlich in vier 
Richtungen : als wechselseitiger Verkehr der Staaten, als Schutz der 
Interessen und Rechte der Staatsangehörigen im Auslande — beides 
dureh ihre hierzu bestimmten Organe, insbesondere im Gesandtschafts- 
und Konsulatswesen — sodann als völkerrechtliche Vertragshandlungen, 
endlich als Schlichtung der Streitigkeiten untereinander, nötigenfalls 
im Wege der Eigenmacht, insbesondere des Krieges. 
Dem Reiche sind die entsprechenden Rechte, als Zuständigkeiten 
des Kaisers, durch a. 11 der Verfassung ausdrücklich nur in be- 
schränkten Specialisierungen beigelegt. Der Kaiser hat „im 
Namen des Reiches Krieg zu erklären und Frieden zu schlielsen, 
Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Ge- 
sandte zu beglaubigen und zu empfangen“. Aber diese speciali- 
sierten Rechte werden beigelegt, nachdem die allgemeine Klausel 
unmittelbar vorausgeschickt ist: „Der Kaiser hat das Reich völker- 
rechtlich zu vertreten“. Die Speecialisierungen — das ergiebt dieser 
Zusammenhang — sind daher Exemplifizierungen, sie sind nicht er- 
schöpfende Bestimmungen, die den weiteren Umfang der allgemeinen 
Klausel aufser Kraft setzen. Daraus folgt: | 
Das Reich ist nicht nur berechtigt, xesandte zu beglaubigen 
und zu empfangen, nicht nur, wie die ferneren Specialklauseln des
	        
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