542 II. Buch. Die Reichsgewalt.
den Schiffahrtsbetrieb und den Zustand der groisen Wasserstralsen,
über die Fluls- und sonstigen Wasserzölle, über die grofsen Kom-
munikationsanstalten entstehen dem Reiche zugleich die Kompetenzen,
um die Öffnung Deutschlands für den völkerschaftlichen Verkehr in
der umfassendsten Weise zu regeln, aber auch um durch Einfuhr- und
Ausfuhrverbote und Handelsbeschränkungen jeder Art einen das Völker-
recht und insbesondere die Neutralitätspflichten verletzenden Verkehr
zu unterdrücken.
Mit der Kompetenz zur Organisation eines gemeinsamen Schutzes
der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See, einschliefslich der
Specialklauseln der R.V. a. 54. ist die Kompetenz des Reiches zu den
Ordnungen gegeben, welehe die völkerrechtliche Gemeinschaft des
Meeres, die Benutzung der deutschen Küste und ihrer Häfen, die
Handhabung der Rechtsordnung und der Polizei auf den nationalen
Schiffen, insbesondere im ausländischen Herrschaftsbereiche erheischen.
Und zu dem allen sind dem Reiche durch die Verfassung — a. 4
Nr. 1 — noch besondere Kompetenzen zugeschrieben, die gerade um
ihrer völkerrechtlichen Beziehungen willen Eingriffe in die an sich
den Einzelstaaten vorbehaltene Rechtssphäre gestatten.
Das ist einerseits die Beaufsichtigung und Gesetzgebung des
Reiches über die „Fremdenpolizei“ und, soweit das Fremde be-
trifft, über das Pafswesen, eine Kompetenz, welche dem Reiche
gestattet, sowohl die Bedingungen der Gewährung und Verweigerung
des Aufenthaltes für die Ausländer überhaupt vorzuschreiben, als auch
die Rechtsstellung der Fremden in Deutschland im Verhältnis zu den
Hoheitsrechten nicht nur des Reiches, sondern auch der Einzelstaaten
zu regeln!!.
Das ist andererseits die Kompetenz des Reiches zur Beaufsichtigung
und Gesetzgebung über die Auswanderung nach aulser-
deutschen Ländern, welche nicht nur die im Inlande zu diesem
Behufe wirksamen Regelungen befalst, sondern auch die Feststellung
der Bedingungen, unter welchen der Auswanderer seine Reichs- und
Staatsangehörigkeit bewahrt, und der Rechtsverhältnisse, in welchen
er zur heimischen Staatsgewalt sowohl des Reiches als des Einzel-
staates verbleibt.
11 Daher die Regelung der Rechtsstellung der Fremden auch gegenüber
dem partikularen Steuerrecht, ja gegenüber dem Zwangsrechte der Einzelstaaten
zu gerichtlichen, administrativen oder municipalen Amtsdiensten. Z. B. die
Klauseln der Handelsverträge mit Costarica (1875) a. 6, Salvador (1870) a. 5,
Rumänien (1877) a. 4, Brasilien (1882) a. 3, Spanien (1883) a. 6, Griechenland
(1884) a. 5, Dominikanische Republik (1885) a. 7, Guatemala (1887) a. 6, Hon-
duras (1837) a. 6.