Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 91. Das Verhältnis der inneren zu den auswärtigen Kompetenzen etc. 545 
IV. Die dem Reiche nach dem allen durch die innere Kompe- 
tenzabgrenzung für die Kompetenz auf dem Gebiete der auswärtigen 
Angelegenheiten gezogenen Grenzen finden aber an einem letzten 
Punkte eine bedeutsame Erweiterung, ja sie werden geradezu beseitigt. 
Das ist der Fall des Krieges. 
1. Er trifft zunächst den Vertrag, der Endpunkt und Ziel des 
Krieges ist, den Friedensvertrag im eigentlichen Wortsinne. Sein 
Inhalt ist nicht gebunden an die Kompetenzen des Reiches im Friedens- 
stande. 
Hierfür spricht eine sachliche Erwägung. Wenn dem Reiche, 
dem Kaiser nach Malsgabe der R£fV. a. 11 das Recht zusteht, den Krieg 
zu erklären, wenn ihm ohne jede verfassungsmälsige Schranke der Be- 
fehl über alle Machtmittel des Reiches zum Zwecke der Kriegsführung 
zusteht, so ist ihm damit das Recht eingeräumt, die gesamte Existenz 
wie des Reiches selbst, so jedes einzelnen Staates auf das Spiel zu 
setzen. Es widerspricht der Natur dieses äulsersten Wagnisses, dessen 
Auseang allein das Ergebnis obwaltender Machtverhältnisse sein kann, 
wenn die Beendigung desselben im voraus an Bedingungen geknüpft 
wäre, welche aus dem inneren Rechtsverhältnis zwischen Reich und 
Einzelstaat entnommen wären. Damit wäre bei jeder die einzelstaat- 
liche Rechtssphäre ergreifenden Disposition die Form der Verfassungs- 
änderung auch für Friedensverträge gefordert, d. h. einer Minorität, 
zutreffenden Falles einer einzelnen Stimme!” im Bundesrate das Recht 
des Widerspruches gegen den Friedensschluls, ein rechtlicher Zwang 
gegenüber dem Reiche auf Fortsetzung des Krieges eingeräumt. 
Dieser sachlichen Erwägung entspricht die Fassung des a. 11 der 
R.V. Sie scheidet das Recht des Kaisers einerseits „Krieg zu er- 
klären und Frieden zu schliefsen“, andererseits „Bündnisse und andere 
Verträge mit fremden Staaten einzugehen“ ; sie setzt also den Friedens- 
schluls in unmittelbare Verbindung mit der Kriegserklärung, nicht 
aber mit der Vertragseingehung. Denn allerdings lälst das Recht des 
Friedensschlusses die Unterstellung unter eine doppelte Kategorie des 
Rechtes zu. Zweifellos kann der Friedensschlufs, wenn man ausschliefs- 
lich auf seine Form sieht, als vollkommen wesensgleich mitjedem anderen 
Vertrage aufgefalst werden. Er kann aber auch seinem materiellen 
Zusammenhange nach als integrierender Bestandteil des Rechtes der 
Kriegsführung betrachtet werden, dessen Ziel und letzte Rechtshand- 
lung er ist. Gerade diese letztere Unterstellung aber ist es, welche 
die Satzfügung des a. 11 vorgenommen hat. 
17 Beim Zutreffen nämlich des zweiten Alinea des a. 78. 
Binding; Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. I. 35
	        
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