990 II. Buch. Die Reichsgewalt.
der Flagge ist der prima vista Beweis für das Recht des Schiffes, dafs
es als nationales von jedermann zu respektieren ist.
In diese Rechtsverhältnisse greifen die Bestimmungen der Reichs-
verfassung ein.
‚Sie organisieren zunächst die Kriegsmarine und das Konsulats-
wesen im Auslande zu einheitlichen Reichsinstitutionen. Damit ist
der Schutz der deutschen Schiffahrt auf der hohen See und im Aus-
lande sowie die Handhabung der Seepolizei in Krieg und Frieden
unter Ausschluls der Konkurrenz der Einzelstaaten einheitlich in die
Hand des Reiches gelegt ®. \
Die R.V. aa. 54 u. 55 bestimmt fernerhin: „Die Kauffahrteischiffe
aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine“. „Die
Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weils-rot“. Durch
diese Bestimmung ist jeder Einzelstaat der Legitimation beraubt, die
für alle deutsche Einzelstaaten einheitliche Flagge zu vertreten, diese
Legitimation kann vielmehr ausschlielslich dem Reiche zugeschrieben
werden; damit ist ferner eine Verschiedenheit der Rechte und Pflichten
für irgend einen Bestandteil der deutschen Handelsmarine, welche
aus jeder völkerrechtlichen Rechtshandlung eines Einzelstaates minde-
stens formell hervorgehen mülste, ausgeschlossen. Und so ergiebt sich
die Folgerung, dafs wie der völkerrechtliche Rechtsschutz der deutschen
Seeschiffahrt durch das Machtmittel der Kriegsmarine und durch die
Organisation des Konsulatswesens, so auch alle völkerrechtlichen Ver-
träge und Rechtshandlungen, welche die Rechtsstellung der nationalen
Flagge berühren, unter Ausschluis der Einzelstaaten nur vom Reiche
ausgehen können. Und dahin gehört es auch, wenn der nationalen
6 Die deutsche Kriegsmarine ist daher insbesondere berufen zur Über-
wachung der deutschen Schiffe in Rücksicht auf die Flaggenführung — Be-
stimmungen betr. das Verhältnis der Kriegsmarine zur Handelsmarine vom
37. Dezember 1867; Perels, Internationales öffentliches Seerecht S. 60 —;
zum Beistand behufs Aufrechterhaltung der Diseiplin auf deutschen Schiffen
— Seemannsordnung vom 27. Dezember 1879 $ 79 —; zur Unterdrückung des
Sklavenhandels — Vertrag vom 29. März 1879 über den Eintritt Deutschlands
in den Vertrag vom 20. Dezember 1841. — Den deutschen Konsuln ist
nach dem Konsulatsgesetz vom 8. November 1867 und’ dem Gesetz über die
Schiffsmeldungen vom 25. März 1880 insbesondere zugewiesen: die Über-
wachung der Vorschriften über Führung der Reichsflagge, Erteilung interi-
mistischer Schiffscertifikate, Entgegennahme der Meldungen der Schiffer, die
Funktionen des Seemannsamtes (Musterungsbehörde), Ausübung der Polizei-
gewalt über die Schiffe, Mitwirkung zur Ergreifung von Deserteuren, Ein-
setzung von Schiffern auf Antrag im Sterbe-, Erkrankungs- oder Untauglich-
keitsfall, Aufnahme von Verklarungen, Einleitung von Bergungs- und Rettungs-
mafsregeln, Aufnahme der Dispache über grolse Havarie.