Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 92. Die völkerrechtliche Stellung der Einzelstaaten. 551 
Flaege im Verhältnis zur ausländischen Schiffahrt ausschliefsliche Be- 
rechtigungen oder Vorrechte beigelegt werden sollen, wie dies für 
die Küstenschiffahrt geschehen ist durch das Gesetz vom 22. Mai 1881 
und wie dies durch die Specialbestimmung der R.V. a. 54 al. 5 be- 
thätigt ist: „Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder 
höhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder 
deren Ladungen zu entrichten sind, steht keinem Einzelstaate, sondern 
nur dem Reiche zu“. 
B. Wenn an den hiermit bezeichneten drei Punkten die Aus- 
schlielslichkeit der völkerrechtlichen Befugnisse des Reiches durch be- 
sondere Klauseln konstituiert ist, so ergiebt es sich schon hieraus als 
Voraussetzung der Reichsverfassung, dafs im übrigen die völkerrecht- 
liche Stellung der Einzelstaaten durch die Reichskompetenzen nicht 
einfach beseitigt sei. Das hat dann, insbesondere in Beziehung auf 
das Gesandtschafts- und Konsulatswesen, ausdrückliche Anerkennung 
gefunden sowohl in den Verfassungsverträgen mit den süddeutschen 
Staaten’, als in einer Reihe von Reichsgesetzen®, als endlich in einer 
unangefochtenen Praxis”. 
Allein trotz des Zutreffens jener Voraussetzungen und trotz des 
Mangels ausdrücklicher Bestimmungen ergeben sich doch unmittelbar 
aus der Verfassung selbst Grundsätze von weittragender Bedeutung, 
welche der völkerrechtlichen Stellung der Einzelstaaten genau be- 
stimmte und enge Grenzen ziehen. Zwei leitende Gesichtspunkte 
sind es, die hierfür entscheidend sind. 
I. Das Reich ist nicht nur eine vertragsmäfsige Zusammenfassung 
seiner Teilhaber in gleichberechtister Gegenüberstellung derselben. 
Es gliedert die Einzelstaaten in ein Gemeinwesen ein, das denselben 
in verfassungsmälsigen Grenzen als eine übergeordnete Einheit gegen- 
übersteht. Wenn dieses Gemeinwesen durch seine Verfassung insbe- 
sondere dazu berufen ist als Gesamtinacht, als Person des Völkerrechts 
aufzutreten und alle der Völkergemeinschaft entspringenden Rechte 
und Pflichten zur Wahrung der Rechte und Interessen der Gesamt- 
heit auszuüben, so ist es nicht eine Sache der politischen Konvenienz, 
sondern ein durch die Verfassung unmittelbar gegebener Grundsatz: 
welches auch im einzelnen die Rechte seien, die den Einzelstaaten 
auf dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten verblieben sind, sie 
? Bayerisches Schlufsprotokoll VOL. VIIL XI XI. 
8 Z.B. Pafsgesetz vom 12. Okt. 1867 8 6; Strafgesetzbuch a. 104; Gerichts- 
verfassungsgesetz aa. 18—21. 
° Zorn, Das deutsche Gesandtschafts-, Konsular- und Seerecht, Hirths 
Annalen 1882 S. 81 ff. 409 ff.
	        
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