Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 5. Die deutschen Verfassungsverträge. 45 
verkehr, über Erfindungspatente, über Herbeiführung eines gemein- 
schaftlichen Mafs- und Gewichtssystemes als rein vertragsmälsige 
Beliebungen aufrecht erhalten. — 
So war in den verschlungensten Formen die Verbindung zwischen 
dem deutschen Süden und Norden hergestellt. 
Sie beruhte zu einem Teile auf nur völkerrechtlicher, vertrags- 
mäßiger Grundlage. Sie stellte zum andern Teile einen Bund dar, 
der jeder Konstruktion nach irgend einer Kategorie der Staatenver- 
bindungen spottet und der es unternimmt, die Vertretung des „ge- 
samten Volkes“ deutscher Nation auf eine gemeinsame Gesetzgebung 
über Steuern zu beschränken, über deren Verwendung sie nicht zu 
befinden hat. Der Bund war in dieser seiner Absonderlichkeit das 
Gegenbild zu der Bestimmung der norddeutschen Verfassung, die ihr 
die vertragsmälsige Mainlinie aufnötigte, nämlich zu jener von jedem 
theoretischen Standpunkte aus vollkommen unverständlichen Zwei- 
teilung des Grofsherzogtums Hessen, das, obwohl unter einer Ver- 
fassung zu einem einheitlichen Staate zusammengefalst, zu Zweidrittel 
suveräner Südstaat und zu dem andern Drittel Gliedstaat des nord- 
deutschen Bundesstaates sein sollte !?. 
Auch die formal rechtliche Betrachtung weist darauf hin, dafs das 
alles nur ein künstliches Auskunftsmittel für eine Zeit des UÜber- 
ganges sein konnte und wollte. 
8 5. 
Die deutschen Verfassungsverträge!. 
Trotz aller warnenden Beispiele, welche die politische Entwicke- 
lung seit dem Wiener Kongresse und noch jüngst das Schicksal des 
Friedens von Zürich gewährt hatten, unternahm es der Prager Frieden 
nochmals, der innern staatlichen Entwickelung einer Nation durch 
völkerrechtliche Verpflichtungen Fesseln anzulegen. Auch dieser Ver- 
such sollte in kurzer Zeit vollständig scheitern. Bereits die nord- 
12 Eine Milderung, aber auch nur eine Milderung des anormalen Ver- 
hältnisses wurde herbeigeführt teils durch den Zollvereinsvertrag, teils durch 
die Militärkonvention vom 7. April 1867, teils endlich durch die Bestimmungen 
des Friedensvertrages vom 3. Sept. 1866 — aa. X. XI —, wonach infolge des 
Erwerbes des Thurm- und Taxisschen Postwesens das gesamte Postwesen in 
Hessen an Preulsen überging und demselben das Recht der unbeschränkten 
Anlegung und Benutzung der Telegraphenlinien und -anstalten auch südlich 
des Maines zustand. 
! Auerbach, Das neue deutsche Reich. 1871.
	        
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