46 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
deutsche Verfassung öffnete andere Wege, die die in den Friedens-
verträgen gemachte Voraussetzung des Südbundes aulser Ansatz liefsen.
Artikel 79 derselben hatte sich nicht mit der Bestimmung be-
enügt: „Die Beziehungen des Bundes zu den süddeutschen Staaten
werden sofort nach Feststellung der Verfassung des norddeutschen
Bundes, durch besondere dem Reichstage zur Genehmigung vorzu-
legende Verträge, geregelt werden“. Auf Initiative des konstituierenden
Reichstages wurde der weitere Satz hinzugefügt: „Der Eintritt der
süddeutschen Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt auf
den Vorschlag des Präsidiums im Wege der Bundesgesetzgebung.“
Allerdings konnte das nur eine bindende Vorschrift auf der einen
Seite des norddeutschen Bundes sein. Auch hierfür besagte sie jeden-
falls nicht mehr, als dafs der „Eintritt“ der süddeutschen Staaten,
mithin der. Aufnahmeakt als solcher in Verfolg einer verfassungs-
mälsigen Ermächtigung und mithin im Wege der einfachen Gesetz-
gebung erfolgen könne’, aber sie reichte in ihrer Fassung trotz der
vielleicht weitergehenden Absicht der Antragsteller nicht aus, um die
auf Grund der Aufnahme erforderlichen Änderungen der Verfassung
anders als in den durch Art. 78 vorgeschriebenen Formen zu bewirken.
Selbstverständlich dagegen war es, dals im Verhältnis zu den süd-
deutschen suveränen Staaten der Eintritt selbst und alle seine näheren
Bedingungen nur im Wege des Vertrages verwirklicht werden
konnten.
Allerdings war die ausnahmsweise Klausel, dals das vorgesehene
Gesetz nur „auf Vorschlag des Präsidiums“ — also unter Aus-
schlufs der Initiative des Reichstages wie des Bundesrates — ergehen
könne, in der bekundeten Absicht eingefügt, „der Frage nicht früher
näher zu treten, als bis wir mit allen Elementen“ — Österreich und
den etwa nicht beitretenden süddeutschen Staaten — „denen wir das
Recht mitzureden zuerkennen, darüber einig sind“*. Allein auch die-
ser Vorbehalt sollte keine andere Wirkung haben, als dafs die voll-
2 Selbst dies konnte bezweifelt werden. Denn „im Wege der Gesetz-
gebung“ hatte auch die Verfassungsänderung mit ihren erschwerten Formen
zu erfolgen.
® Das war auch die schliefsliche Auffassung der verbündeten Regierungen.
In den dem Reichstage gemachten Vorlagen der Novemberverträge wird aus-
drücklich bezeugt, dafs sie „einstimmig“ oder „mit der nach a. 78 der Ver-
fassung erforderlichen Mehrheit“ die Zustimmung des Bundesrates gefunden
haben.
*$. die Verhandlungen des konstituierenden Reichstages vom 9. und
10. April 1867. (Sten. Ber. insbs. S. 639. 689.)