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drückliche Bestimmung, wie in der Schweiz!? und in den Vereinigten
Staaten Amerikas!*, und ohne eine besondere Zusage, wie im deutschen
Bunde, die „Garantie“ der Verfassung der Einzelstaaten bildet.
I. Kapitel.
Die zwischenstaatliche Rechtsordnung.
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Die zwischenstaatliche Friedensbewahrung.
Das Recht und die Pflicht des Reiches zur Bewahrung des Rechts-
und Friedensstandes zwischen den Einzelstaaten wird durch R.V. a. 76
al. 1 begründet, welches lautet:
„Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern
dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompe-
tenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen
des einen Teiles von dem Bundesrate erledigt“.
I. Diese Bestimmung trifft nach ihrem Wortlaut und nach der
Natur der hier in Frage stehenden Aufgabe des Reiches die Staaten-
streitigkeiten im strengen Wortsinn. Sie befalst die Streitigkeiten,
aber auch nur die Streitigkeiten, bei denen ausschliefslich Einzel-
staaten als solche Partei sind.
Ausgeschlossen sind daher Streitiekeiten des Privatfürstenrechtes
oder über innere Verfassungsfragen, mögen sie Thronfolge, Regent-
schaft, Domänen, agnatische Widersprüche gegen Akte der Gesetz-
gebung betreffen, und zwar auch dann, wenn der Anspruch von dem
Landesherrn eines anderen Staates erhoben wird. Sie können immer
nur kraft eines Incidentpunktes zu Staatenstreitigkeiten werden, sei es,
dals das streitige Verhältnis durch wahre Staatsverträge geregelt wurde
oder dals mit demselben Ansprüche des einen Staates auf Gebietsteile
oder auf die Domänen des anderen Staates erhoben werden.
Ausgeschlossen ferner sind Streitigkeiten über solche Ansprüche
von Privaten, welche nicht befriedigt werden können, weil die Zah-
lungsverbindlichkeit unter mehreren Staaten streitig ist. Auch hier
würde eine Staatenstreitigkeit nur dann vorhanden sein, wenn die
Zahlungsverbindlichkeit kraft völkerrechtlichen Titels auch einem
13 Bundesverfassung aa. 5. 6. 84 No. 7 u. 8. 102 No. 3.
14 Unionsverfassnng a. IV sect. 4. 15 Wiener Schlufsakte a. 60.