580 II. Buch. Die Reichsgewalt.
1. Eine erste Hauptform bildet die Requisition, und zwar
nicht in der Gestaltung, welche die Regel des Völkerrechts bildet,
wonach der zwischenstaatliche Verkehr durch die zur Wahrnehmung
der auswärtigen Beziehungen berufenen Organe vermittelt wird, sondern
vielmehr in der andern Gestaltung, wonach die zur Vornahme einer
Amtshandlung kompetente Behörde des einen Staates verpflichtet ist,
diese Amtshandlung auf Ansuchen und zur Unterstützung der Behörde
des anderen Staates vorzunehmen. Aber auch diese Gestaltung weist
wesentliche Unterschiede auf.
Die Requisition kann nämlich überall da, wo sich die Anordnung
und Durchführung einer Mafsregel in anordnenden und durchführenden
Organen scheidet, eine mittelbare oder unmittelbare sein.
Sie ist eine nur mittelbare dann, wenn die ersuchende Be-
hörde sich an diejenige Behörde des anderen Staates zu wenden hat,
welche zu der der Requisition entsprechenden Anordnung kom-
petent ist, und wenn erst auf diese Anordnung hin die ausführenden
Organe befugt werden, die zur Erledigung der Requisition erforderliche
Amtshandlung vorzunehmen.
Die Requisition ist eine unmittelbare, wenn das Ersuchen
ohne weiteres an die zur Ausführung bestimmten Behörden des
anderen Staates gerichtet wird, dergestalt, dafs das Ersuchen die An-
ordnung der inländischen Behörde ersetzt.
Beide Arten der Requisition hat die Reichsgesetzgebung auch zwischen
den Behörden verschiedener Einzelstaaten zugelassen und vorgeschrieben.
a. Jene erste Art nur mittelbarer Requisition. regelt das
Reichsgesetz über die Rechtshülfe vom 21. Juli 1869, indem es grund-
sätzlich die Rechtshülfe nur von Gericht zu Gericht anordnet und
speciell für Ladungen, Auslieferungen, Vollstreckungen in Civil- und
Kriminalsachen durchführt. Sie findet noch jetzt Anwendung für den
Umfang der Gerichtsbarkeit der besonderen einzelstaatlichen Ge-
richte, aber auch im Gebiete der ordentlichen Gerichtsbarkeit da, wo
die Rechtshülfe im positivrechtlichen Sinne des Gerichtsverfassungs-
gesetzes, d. h. von Gericht zu Gericht oder — bei Vollstreckung von
Freiheitsstrafen — von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft zu
leisten ist. Sie mufs als die zutreffiende Form überall da gelten, wo
die Reichsgesetze ohne abweichende Sonderbestimmung den Behörden
der Einzelstaaten das Recht auf Rechts- oder Verwaltungshülfe zu-
schreiben, wie z. B. den Seeämtern?, den Veterinärbehörden*, den
® Seeunfallgesetz vom 27. Juli 1877 88 19. 20.
* Rinderpestgesetz vom 7. April 1869 $ 13. Viehseuchengesetz vom
23. Juni 1880 $ 5. n