Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 98. Das Indigenat. 587 
der Landesfremden von Reichs wegen geregelt werden, so bedurfte 
es hierzu einer besonderen Bestimmung der Verfassung. Sie ist 
erfolet durch R.V. a. 3. Derselbe trifft die Anordnung: 
„Dals der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden 
Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaat als Inländer zu be- 
handeln und demgemäls zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, 
zu öffentlichen Ämtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Er- 
lanseung des Staatsbürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen 
bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Ein- 
heimische zuzulassen, auch in betreff der Rechtsverfolgung und des 
Rechtsschutzes demselben eleich zu behandeln ist“. 
Er bezeichnet die hierdurch geschaffene Rechtsstellung der 
Landesfremden als das für ganz Deutschland bestehende „ge- 
meinsame Indigenat‘. 
I. Aus diesem Zusammenhang und aus diesem Wortlaut ergeben 
sich die entscheidenden Folgesätze: 
1. Das Indigenat gewährt dem Reiche eine Kompetenz nicht 
erst zum Erlafs von Gesetzen, sondern dieselbe ist unmittelbar ver- 
wirklicht durch einen gemeingültigen Rechtssatz von sofort 
verbindlicher Kraft®. Das Indigenat bedarf, ja in einem ge- 
wissen Sinne duldet es keinerlei Durchführung durch besondere Reichs- 
gesetze, wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, dals einzelne Reichs- 
gesetze den allgemeinen Grundsatz in seiner Anwendung auf einzelne 
Gegenstände auseinanderlegen und erläutern, wie dies jetzt die Be- 
deutung der einschlagenden Bestimmungen des Zollvereinsvertrages 
vom 8. Juli 1867 ist. 
2. Das Indigenat enthält eine Vorschrift, welche das objek- 
tive Partikularrecht der Einzelstaaten als solches betrifft. 
Dieses wird dahin normiert und beschränkt, dals kein partikularer 
3 Die entgegengesetzte Ansicht hält jetzt noch fest Sarwey, Württem- 
bergisches Staatsrecht I 147: „Die Gleichstellung der Angehörigen eines an- 
deren deutschen Bundesstaates mit den württembergischen Staatsbürgern ist 
auf die durch die Reichsgesetzgebung geordneten öffentlichrechtlichen Be- 
ziehungen beschränkt. Soweit daher einzelne in Ausführung des a. 3 er- 
gangene Reichsgesetze in einem deutschen Bundesstaate keine Anwendung 
finden, ist auch die Gleichstellung ausgeschlossen.“ — S. dagegen die durch- 
greifenden Erörterungen Labands, Staatsrecht I 168. Nur durch diese 
Annahme unmittelbarer Rechtskraft gewinnt das an sich überflüssige al. 2 der 
R.V. a. 3: „Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis durch die 
Obrigkeit seiner Heimat oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates 
beschränkt werden“ einen Sinn. 
* S. dieselben oben Note 2.
	        
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