Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

588 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Rechtssatz fernerhin Geltung hat, welcher, im Vergleich mit den 
eigenen Staatsangehörigen, die Aberkennung oder Minderung von 
Rechten oder die Auflegung besonderer Pflichten an den Thatbestand 
der Angehörigkeit der Beteiligten zu einem anderen deutschen Einzel- 
staate knüpft. Das Indigenat setzt daher seiner Natur nach voraus, 
dafs die Regelung der Rechte und Pflichten, die für den Angehörigen 
eines anderen Einzelstaates in Frage stehen, durch das Partikular- 
recht erfolst ist. Sobald und soweit diese Regelung von Reichs 
wegen erfolgt, wird das Indigenat in keinem Sinne durchgeführt, 
sondern es verliert im Gegenteile für die durch das Reichsgesetz be- 
troffene Materie seine Anwendbarkeit. 
3. Das Indigenat hat weder die Absicht, noch die Kraft, die 
Gleichheit der Rechte oder ein gleiches Mais der Pflichten für die 
Reichsbürger in jedem Einzelstaate zu schaffen. Es erkennt im 
Gegenteile die Rechtsverschiedenheit unter den Einzelstaaten an. Es 
verbürgt lediglich die Gleichheit des objektiven Rechtes 
innerhalb jedes Einzelstaates für Einheimische und 
Landesfremde. Daher berührt das Indigenat das sogenannte inter- 
nationale Privatrecht nicht, insofern dessen Grundsätze zur Anwendung 
auswärtigen Rechtes durch den einheimischen Richter führen°. 
Denn abgesehen davon, dafs dies zutreffenden Falles auch für den 
Einheimischen stattfindet® und dafs die nämlichen Grundsätze auch bei 
Verschiedenheit der Rechte innerhalb desselben Staates Platz greifen, 
so beruht hier die Verschiedenheit des auf den Landesfremden an- 
gewandten Rechtes nicht auf einer Verschiedenheit seiner Behandlung 
nach einheimischem Recht. Vielmehr wird dieselbe herbeigeführt 
durch die Anerkennung, dafs bestimmte Rechte und Pflichten unter 
der Herrschaft des fremden Rechtes entstanden sind und dafs, nach- 
dem sie es sind, sie gerade im Sinne der R.V. a. 3 den nämlichen 
Rechtsschutz finden müssen, als ob es sich um unter der Herrschaft 
des einheimischen Rechtes entstandene Rechtsverhältnisse handelt”. 
5 Führen die Grundsätze des internationalen Privatrechtes zur An- 
wendung des einheimischen Rechtes, so gilt dieses selbstverständlich für 
den Landesfremden nur nach Malsgabe des Indigenates. 
6 Z. B. rücksichtlich der formalen Bedingungen eines im Ausland ge- 
schlossenen Vertrages oder errichteten Testamentes. 
? Bericht des Justizausschusses des Bundesrates, Hirths Annalen 1869 
S. 17; zweifelhaft Brückner, Indigenat S. 25. Auch der Zweifel, ob in 
a. 84 der d. Wechselordnung unter Ausländer auch der Landesfremde zu ver- 
stehen sei, kann nicht durch Berufung auf R.V. a. 3, wohl aber durch Er- 
hebung der Wechselordnung zum Reichsgesetz als gelöst gelten. A. M. 
Seydel, Kommentar $. 51 und Urteil des Reichsoberhandelsgerichts, Ent- 
scheidungen VI 359.
	        
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