Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 98. Das Indigenat. 589 
4. Das Indigenat enthält eine Vorschrift, welche lediglich das 
Verhältnis der Gesetzgebung und Vollziehung des Einzelstaates im 
Verhältnis zu den Landesfremden, nicht aber das zwischen- 
staatliche Verhältnis der Einzelstaaten untereinander regelt. Dasselbe 
hat keine Beziehung auf die Wirksamkeit und die Grenzen, welche 
das Partikularrecht der eigenen Staatsgewalt vorschreibt, insbesondere 
auf die Frage, wieweit der Einzelstaat auch Landesfremde oder im 
anderen Territor begründete Thatbestände seiner Strafgewalt und Ge- 
richtsbarkeit unterwirft®. Es enthält keinerlei Verpflichtung des 
Einzelstaates den Gerichts- und Verwaltungsakten des anderen Staates 
in seinem Territor Anerkennung zu zollen und Rechtswirksamkeit 
beizulegen®. Das Indigenat endlich berührt die Frage nicht, wieweit 
die Einzelstaaten sich gegenseitig Rechts- und Verwaltungshülfe zu 
8 Daher wurde vom preufsischen Staatsministerium mit Recht ange- 
nommen, dafs die Bestimmung der preufsischen Strafprozelsordnung vom 
25. Juni 1867 $ 39 unter ] durch R.V. a. 3 nicht aufgehoben sei, wonach der 
Gerichtsstand des verübten Verbrechens, wenn dasselbe im „Auslande“ be- 
gangen ist, bei demjenigen inländischen Gerichte begründet ist, welches dem 
Orte der That zunächst belegen ist. Dagegen mulfsten diejenigen besonderen 
die Gerichtsbarkeit betreffenden Bestimmungen ohne weiteres als aufgehoben 
gelten, welche zugleich eine Beschränkung oder Beschwerung des Rechts- 
erwerbes oder des Rechtsschutzes für Landesfremde herbeiführten, wie die 
Verpflichtung des ausländischen Besitzers eines inländischen Grundstückes im 
Gerichtsstand des letzteren sich auch wegen persönlicher Forderungen ver- 
klagen zu lassen oder die Gestattung einer Widerklage gegen den ausländischen 
Kläger unter Sistierung der Exekution. 
° Das Indigenat änderte also bis zum Erlasse der einschlagenden Reichs- 
gesetze nichts an den partikularrechtlichen Voraussetzungen, unter welchen 
die Echtheit einer auswärtigen Öffentlichen Urkunde anzunehmen, die Rechts- 
hängigkeit, Konkurseröffnung oder die rechtskräftige Entscheidung durch aus- 
wärtige Gerichte, die Erteilung von Gewerbekoncessionen oder die Verleihung 
juristischer Persönlichkeit durch auswärtige Verwaltungsbehörden anzu- 
erkennen sei. Wenn es aber als übereinstimmendes Partikularrecht betrachtet 
werden darf, dafs die Verleihung oder der gesetzliche Bestand der juristischen 
Persönlichkeit in dem einen auch im andern deutschen Einzelstaat anerkannt 
wird, so ist es allerdings Konsequenz des Indigenates, dafs die anerkannte 
landesfremde juristische Person in ihrer Rechtsstellung, selbst in etwaigen 
Rechtsbegünstigungen (Sportelfreiheit der pia corpora), ebenso behandelt wird, 
wie die einheimischen juristischen Personen gleicher Kategorie. Denn es be- 
steht nicht der mindeste Grund, um mit Seydel, Kommentar S. 52, Laband, 
Staatsr. d. d.R. I 170 Note 2, juristische Personen nicht als Angehörige eines 
Staates im Sinne der R.V. a. 3 zu betrachten, wenn es auch im einzelnen 
Fall — Gesetz betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe vom 25. Okt. 
1867 $ 2 — besonderer Bestimmungen bedarf über die Merkmale, welche die 
Staatsangehörigkeit einer juristischen Persönlichkeit begründen. S. jetzt Ge- 
werbeordnung $ 12.
	        
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