592 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Exemtion von der Reichsgesetzgebung über Heimatsrecht, auf Bayern
Anwendung.
Abgesehen von diesen beiden Ausnahmen bezieht sich das In-
digenat auf alle und jede Rechte und Pflichten, welche den Landes-
fremden unter der Herrschaft des Partikularrechtes zustehen oder auf-
gelegt werden können, gleichgültig, ob sie dem Privatrecht oder dem
öffentlichen Recht, ob sie dem materiellen Recht oder dem Gebiete
der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes angehören, gleichgültig,
ob es sich um das gemeine Recht in diesem Sinne ‘oder um Rechts-
begünstigungen handelt, welche nicht auf willkürlichen Verleihungen
beruhen, sondern beim Zutreffen bestimmter gesetzlicher Voraus-
setzungen dem Einheimischen gewährt werden !*.
‘Insbesondere findet das Indigenat auch Anwendung auf die staats-
bürgerlichen Rechte im speeifischen Sinne.
Ausdrücklich und unzweideutig schreibt dies R.V. a. 3 für die
Zulassung der Landesfremden zu öffentlichen Ämtern unter denselben
Voraussetzungen wie für den Einheimischen vor. Im übrigen spricht
sie allerdings nur von „Erlangung des Staatsbürgerrechtes“.
An diese Redewendung ist die Auffassung geknüpft wörden, als
ob das Wort „Staatsbürgerrecht“ gleichbedeutend sei mit „Staats-
angehörigkeit“ !'°. Allein wenn hiernach die Erlangung der Staats-
angehöriekeit für den Landesfremden unter den gleichen Voraus-
setzungen wie für den Einheimischen zugelassen sein soll, so ist das
14 Eine reiche Kasuistik für die Wirkung des Indigenates zur Zeit der
Begründung des norddeutschen Bundes enthält .der Bericht des Justiz-
ausschusses des Bundesrates vom 12. Dezember 1868 in Hirths Annalen 1869
S. 14ff. Hiernach gab die Eigenschaft als Landesfremder keinen Grund mehr
ab: für eine besondere Art der Strafe (Landesverweisung anstatt der Stellung
unter Polizeiaufsicht für Einheimische), für eine Kautionspflicht wegen Prozefs-
kosten (auch nicht in der Form der Haftung der inländischen Anwälte für
ihre landesfremden Klienten) oder bei öffentlichen Versteigerungen, für, einen
Arrest, für Verhaftung oder Zwangsvorführung, für die Verpflichtung zum
Homagialeid bei Grundstückserwerb, für Versagung des Armenrechtes oder
sonstiger Sportelfreiheiten. Allerdings hat diese Kasuistik in einem weiten
Umfange ihre Bedeutung durch die erlassenen Reichsgesetze über Freizügig-
keit, Unterstützungswohnsitz, Rechtshülfe, Gewerbeordnung, Strafgesetz,
Prozefs- und Konkursordnungen verloren. Allein das Indigenat findet auch
heute noch ein grofses Feld seiner Anwendbarkeit in dem der Partikular-
gesetzgebung vorbehaltenen Strafrecht, in den nicht vor die ordentlichen
Gerichte gehörenden Straf- und Civilsachen, in der Verwaltungsgerichtsbar-
keit, in der Steuergesetzgebung, im Privatrecht u. s. w.
15 Thudiehum, Verfassungsrecht S. 69; Laband, Staatsrecht I 172;
Zorn, Staatsrecht I 258; Sarwey, Württembergisches Staatsrecht I 147.