Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 103. Bewegung und Niederlassung der Bevölkerung. 613 
„Kolonisation und Auswanderung nach aulserdeutschen Län- 
dern“. Die Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches wird damit 
auf jene Grundverhältnisse erstreckt, welche durch die Gewinnung 
und Behauptung eines Standortes und räumlichen Stützpunktes, als 
notwendiger Bedingung jeder menschlichen Lebensthätigkeit, erzeugt 
werden. Die Specialisierungen des Verfassungstextes ergeben, dals 
die Regelung dieses Gegenstandes in umfassendster Weise und in 
allen Beziehungen ins Auge gefalst ist. 
Demgemäls bezieht sich die Reichskompetenz auf diesem Gebiete 
nicht nur auf die Reichsangehörigen, sondern auch auf die Fremden: 
Fremdenpolizei. 
Sie bezieht sich auf die beiden Seiten, welche die räumlichen 
Verhältnisse der Bevölkerung bieten: auf den Wechsel und die freie 
Wahl des Standortes, auf die örtliche Bewegung der Bevölkerung, auf 
die „Freizügigkeit“ einerseits und andererseits auf die Gewinnung 
des örtlichen Stützpunktes für Wirtschaft und Familie, auf die „Nieder- 
lassungsverhältnisse“. 
Die Reichskompetenz bezieht sich endlich nicht nur auf diese Ver- 
hältnisse, insofern sie sich innerhalb des Bundesgebietes entwickeln, 
sondern auch auf den Zug und die Niederlassung nach und in dem 
Auslande, auf Auswanderung und Kolonisation. 
Nur die beiden letzten Beziehungen stehen hier in Betracht. Denn 
die Fremdenpolizei, wenn sie auch unter dem einseitigen Gesichts- 
punkte der Bevölkerungsbewegung besonders hervorgehoben werden 
mochte, ordnet sich doch in den weiteren Zusammenhang der völker- 
rechtlichen Befugnisse des Reiches ein, durch welche dasselbe zur um- 
fassenden Regelung des gesamten Fremdenrechtes berufen ist?. 
I. Zwischen die „Bestimmungen über „Freizügigkeit“ und 
„Niederlassungsverhältnisse* hat der Verfassungstext die- 
jenigen über die „Heimatsverhältnisse“ eingeschoben. Er trifft 
damit nicht sowohl eine Erweiterung und Ergänzung, als vielmehr 
eine nähere Bestimmung über Inhalt und Grenzen der beiden anderen 
Ausdrücke. | 
Die Heimat, das Heimatsrecht?® ist ein historisch er- 
wachsener Begriff. Wie es in der Natur der Sache liest, dafs die 
den Standort und den räumlichen Stützpunkt der Bevölkerung bezeich- 
2 Das Wort „Fremdenpolizei“ ist in die Verf. durch ein Amendement des 
konstituierenden Reichstages eingeschoben. S$. o. S. 542. 
® S. insbesondere H. Rösler, Sociales Verwaltungsrecht I 152f.; G. 
Meyer, D. Verwaltungsrecht I 96 ff. und die Motive zum Gesetzentwurf über 
den Unterstützungswohnsitz, Verh. des Reichstages von 1870. Anlagen No. 12.
	        
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