Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 5. Die deutschen Verfassungsverträge. 51 
norddeutschen Verfassung in jedem derselben Rechtsverbindlichkeit zu 
verschaffen !”. Auch das ist bewirkt worden mittels der in den vor- 
geschriebenen Formen der Verfassungsänderung erfolgten Genehmigung 
der Novemberverträge durch die süddeutschen Volksvertretungen !? 
und durch deren Publikation in den Gesetzblättern vom 31. Dezember 
1870. Nur in Bayern erfolgte die Genehmigung durch die bayerische 
Landesvertretung erst am 30. Dezember 1870 und 21. Januar 1871 
und die königliche Ratifikation am 30. Januar 1871 dergestalt jedoch, 
dafs nach dem Wortlaut der Verträge auch hier die Wirksamkeit der- 
selben am 1. Januar 1871 begann. 
Hiernach trat am 1. Januar 1871 die zur Verfassung des deutschen 
Reiches abgeänderte Verfassung des norddeutschen Bundes für ganz 
Deutschland in Kraft. Mit diesem Zeitpunkt wurden die süddeutschen 
Staaten vollberechtigte und vollverpflichtete Mitglieder des damit zum 
deutschen Reiche erweiterten norddeutschen Bundes. Die November- 
verträge fanden ihre Erfüllung, indem die süddeutschen Staaten von 
jenem Zeitpunkte an und auf Grund der nunmehr geltenden Reichs- 
verfassung ihre Mitgliedschaftsrechte ausübten und ihre Mitglied- 
schaftspflichten erfüllten. 
Nach dem allen ist das deutsche Reich nicht ein neuer korporativer 
Verband mit einer neuen juristischen Person, sondern es ist der bis- 
herige korporative Verband und die bisherige juristische Person des 
norddeutschen Bundes, der in Gemälsheit seiner Verfassung seine 
Mitglieder vermehrt und die hierdurch für erforderlich erachteten 
Änderungen seiner‘ Verfassung vorgenommen hat. Zwischen dem 
norddeutschen Bunde und dem deutschen Reiche besteht keinerlei 
Succession, sondern „Rechtskontinuität“ '*. 
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13 In Hessen am 20. und 29. Dezember, in Baden am 16. und 19. Dez., 
in Württemberg am 23. und 29. Dez. 1870. 
14 Laband, Staatsr. d. d. Reichs I 41. — Aus der behaupteten Rechts- 
kontinuität folgt schlechterdings nicht — wie Seydel, Kommentar 8. 19 ff. 
zur Begründung einer entgegengesetzten Ansicht annimmt —, dafs die bisher 
im norddeutschen Bunde ergangenen Gesetze ohne weiteres ihr Geltungs- 
gebiet auf Süddeutschland erstreckten — hierzu bedurfte es eines besonderen 
Aktes: für Baden, Hessen, Württemberg a. 80 der vereinbarten Verfassung, 
sonst besonderer Reichsgesetze —, genauso wie bei Einverleibung einer 
Provinz die Gesetze des Einheitsstaates sich nicht ohne weiteres auf dieselbe 
erstrecken. Ebensowenig und aus demselben Grunde folgt es, dafs völker- 
rechtliche Verträge des norddeutschen Bundes ohne weiteres auch auf Süd- 
deutschland Anwendung fanden; vielmehr entschied ihr Inhalt, ob eine solche 
Erstreckung den Vertragsintentionen beider Teile entsprach. Endlich waren 
allerdings alle finanziellen Rechte und Pflichten des norddeutschen Bundes 
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