$ 105. Die Land- und Wasserstrafsen. 625
Und selbst in dieser Beschränkung sind es nur einzelne hervor-
sehobene Gegenstände, auf welche sich nach R.V. a. 4 No. 8 und 9
die Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches bezieht.
1. An erster Stelle treffen sie „die Herstellung von Wasser-
straflsen im Interesse der Landesverteidigung und des
allgemeinen Verkehrs“ — in der nämlichen Weise, wie bei den
Landstralsen. Auch hier handelt es sich immer nur um die gesetz-
geberische Anordnung einzelner künstlich anzulegender. oder doch
schiff- und flölsbar zu machender Strecken, bei denen die Vorfrage
des Reichsinteresses bejaht wird. Dagegen verbleibt die Herstellung
aller übrigen Wasserstrafsen den Einzelstaaten. Und nicht minder
fordert es der verfassungsmälsige Grundsatz, dafs selbst für die kraft
Reichsgesetzes herzustellenden Wasserstrafsen die Vollziehung in Bau-
ausführung und Unterhaltung den Einzelstaaten verbleibt‘.
Aber allerdings dieser letztere Grundsatz kann unter gewisser
Voraussetzung aulser Anwendung treten, dann nämlich, wenn die von
Reichs wegen herzustellende Wasserstralse wesentlich dem Interesse
der Landesverteidigung dient und sich zugleich als eine mit der „ein-
heitlichen“ Kriegsmarine „zusammenhängende Anstalt“ — R.V. a. 53
al. 3 — darstellt. Hier würde der Ausführung, der Unterhaltung und
dem Betriebe in eigener und unmittelbarer Verwaltung des Reiches
ein verfassungsmälsiges Hindernis nicht entgegenstehen. |
Gerade dieser Voraussetzung entspricht das bisher einzige Unter-
nehmen dieser Art, welches das Reich aus seinen Mitteln bewerk-
stelligt hat. Nach Malsgabe des Gesetzes vom 16. Mai 1886 ist der
Nordostseekanal — soviel den Standpunkt des Reiches betrifft
und unbeschadet seiner weiter greifenden Bedeutung — für „die Be-
nutzung durch die deutsche Kriegsflotte“ bestimmt. Und aus dieser
Bestimmung heraus ist seine technische Ausführung von Reichs wegen
unter der durch die kaiserliche Verordnung vom 17. Juli 1886 er-
richteten „kaiserlichen Kanalkommission“ ins Werk gesetzt und damit
zugleich die Verfügung über die Art und Weise seiner künftigen Ver-
waltung dem Reiche vorbehalten’.
2. Weiterhin erstreckt sich die Beaufsichtigung und Gesetz-
sebung des Reiches auf den „Flölserei- und Schiffahrts-
betrieb“ sowie auf den „Zustand“ der „Wasserstrafsen“, jedoch
& Vergleiche die Bestimmungen der Reichs- und Unionsverfassung von
1849 oben in Note 3.
” Ursprünglich, bei der Vorlage des Gesetzentwurfes, war es die Absicht,
den Kanalbau nicht durch das Reich, sondern durch Preufsen bewirken zu
lassen. Sten. Ber. des Reichstags vom 9. Januar 1887 S. 430.
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. 1. 40