Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 106. Das Meer und die Seeschiffahrt. 629 
füllung der damit verbundenen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht 
gesichert werden kann. Schon aus diesem Grunde uud bestätigt 
durch die Specialklausel der R.V. a. 54: „Das Reich hat — die 
Ausstellung der Schiffscertifikate zu regeln“, ist das 
Reich berechtigt, die materiellen und formellen Voraussetzungen, von 
denen das Recht zur Führung der nationalen Flagge abhängt, sowie 
die äufsere Kennzeichnung der Schiffe zu regeln®. Es ist aus dem- 
selben Grunde nicht minder befugt, die Vorschriften über die Stralsen- 
ordnung auf der See, über das Signalwesen und über das Verhalten 
der Schiffe gegenüber der Gefahr des Zusammenstofses zu treffen * 
und den deutschen Kauffahrteischiffen solche Verpflichtungen aufzu- 
lesen, welche der Schutz der Deutschen im Auslande erheischt°. 
Allein die Kompetenz des Reiches greift über diese durch die 
völkerrechtlichen Beziehungen geforderten Ordnungen hinaus. Aller- 
dings läfst R.V. a. 4 No. 7. in seiner Wortfassung eine hierauf be- 
schränkte Deutung zu; allein derselbe empfängt eine Erweiterung 
durch R.V. a. 54, welcher den Grundsatz schlechthin aufstellt: „Die 
KauffahrteischiffeallerBundesstaaten bilden eine ein- 
heitliche Handelsmarine®“ Denn damit ist das Reich er- 
mächtigt, berechtigt und verpflichtet, alle diejenigen Regelungen zu 
treffen, welche die Durchführung des verfassungsmälsigen Grundsatzes 
erfordert. D. h. es ist ermächtigt, die rechtlichen Ordnungen für die 
Benutzung des Meeres und für den Betrieb der Schiff- 
fahrt in einheitlicher Weise zu gestalten, da nur hierauf die Einheit 
der Handelsmarine beruhen kann. 
I. Damit gewinnt die Kompetenz des Reiches seinem Gegen- 
® Gesetze über die Nationalität der Kauffahrteischiffe vom 25. Oktober 
1867, 15. April 1885, 23. Dezember 1888 und über die Registrierung und Be- 
zeichnung derselben vom 28. Juni 1873. 
* Die auf Grund des a. 145 des Strafgesetzbuches erlassenen kaiserlichen 
Verordnungen zur Verhütung des Zusammenstofsens der Schiffe auf See vom 
7. Januar 1830 
16. Februar 1881’ 
vom 15. August 1876, über die Not- und Lotsensignalordnung für Schiffe auf 
See und auf den Küstengewässern vom 14. August 1876. 
5 Gesetz vom 27. Dezember 1872 über die Verpflichtung deutscher Kauf- 
fahrteischiffe zur Mitnahme hülfsbedürftiger Seeleute. 
6 Kauffahrteischiffe sind nach feststehendem Sprachgebrauch — z.B. 
$ 1 des Gesetzes vom 25. Oktober 1867 — die zum Erwerb durch die Seefahrt 
bestimmten Schiffe, gleichgültig, ob sie dem Handel im eigentlichen Sinne oder 
der Seefischerei dienen. „Handels“marine ist daher hier nicht zur Be- 
schränkung auf einen Teil der Kauffahrteischiffe, sondern nur zum Unter- 
schiede von der „Kriegs“marine des vorhergehenden a. 53 gebraucht. 
über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstofse
	        
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