Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 106. Das Meer und die Seeschiffahrt. 631 
Allein die weiten Folgerungen, welche aus dem Grundsatz der 
Einheitlichkeit der deutschen Handelsmarine für die Reichskompetenz 
abgeleitet werden können und müssen, haben doch eine bestimmte 
Beschränkung und Begrenzung erfahren. 
Es handelt sich um die Frage, ob nicht nur die allgemeinen recht- 
lichen Ordnungen der Meeresbenutzung und der Seeschiffahrt, sondern 
auch diejenigen Veranstaltungen der Kompetenz des Reiches unter- 
worfen sind, welche ihrer Beschaffenheit und Bestimmung nach nicht 
nur sich wesentlich den lokalen Verhältnissen anschmiegen müssen, 
sondern auch in das territoriale Herrschaftsgebiet der Einzelstaaten 
an den Küsten, auf den Küstengewässern und Flulsmündungen fallen. 
Ein gerade hierauf gerichtetes Amendement!®, welches in R.V. a. 4 
No. 9 eingeschoben wissen wollte: „die Anstalten für die See- 
schiffahrt (Häfen, Seetonnen, Leuchttürme, das Lotsenwesen, das 
Fahrwasser u. s. w.)* wurde im konstituierenden Reichstag verworfen 
und zwar mit der einstimmigen Motivierung!!, dafs diese Gegenstände 
den Einzelstaaten vorzubehalten seien!?. Erst später, durch das ver- 
fassungsändernde Gesetz vom 3. März 1873 ist ein Teil und zwar 
absichtlich!? nur ein Teil der vorerst verworfenen Anträge zu gül- 
tigem Rechte erhoben worden durch den Zusatz zu R.V. a. 9: „des- 
flotte zu den Kauffahrteischiffen der Handelsmarine willen, endlich rücksicht- 
lich des Gewerbebetriebes durch die Gewerbeordnung. 
10 Anlage No. 16 sub IH,s zu den Verhandlungen des konstituierenden 
Reichstages. 
ıı Verhandlungen des konstituierenden Reichstages S. 279 ff. 
12 Auch die Reichs- und Unionsverfassung von 1849 bestimmte in 
$ 20: „Die Schiffahrtsanstalten am Meere und in den Mündungen der deutschen 
Flüsse (Häfen, Seetonnen, Leuchtschiffe, das Lotsenwesen, das Fahrwasser u.s. w.) 
bleiben der Fürsorge der einzelnen Uferstaaten überlassen. Die Uferstaaten 
unterhalten dieselben aus eigenen Mitteln. — Ein Reichsgesetz wird bestim- 
men, wieweit die Mündungen der einzelnen Flüsse zu rechnen sind.“ Doch 
fügte $ 21 hinzu: „Die Reichsgewalt hat die Oberaufsicht über diese Anstalten 
und Einrichtungen. Es steht ihr zu, die betreffenden Staaten zu gehöriger 
Unterhaltung derselben anzuhalten (auch dieselben aus den Mitteln des Reiches 
zu vermehren und zu erweitern). Die letzt eingeklammerten Worte hat die 
Unionsverfassung beseitigt. 
12 $. die Verhandlungen des Reichstages vom 6. April und 12. Mai 
1869 S. 210 ff. 954 ff, Anlagen zu den Verhandlungen von 1869 No. 156; Er- 
klärungen des Präsidenten des Reichskanzleramtes in Verh. des Reichstages 
vom 24. Februar 1870 S. 58 und 17. April I872 S. 64; endlich Verh. d. R. 
vom 5. u. 6. Juni 1872 S. 746 ff. 769 ff. Hierbei wurde der Reichstagsbeschlufs, 
das „Seelotsenwesen“ dem R.V. a.4 No. 9 hinzuzufügen, vom Bundesrat nicht 
angenommen.
	        
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