642 II. Buch. Die Reichsgewalt.
beschränkt auf Herbeiführung der Gleichmälsiekeit in den technischen
Einrichtungen der Anlagen, Fahrzeuge und Betriebsmanipulationen,
nicht auf die Regelung des Verhältnisses der Bahnverwaltungen unter-
einander, insbesondere für die gegenseitige Wagenbenutzung, sondern
sie hat insbesondere die einheitliche Regelung der rechtlichen Seite
des Transportwesens im Verhältnis zum Publikum zum Gegenstande
gehabt. Auf den Beschlüssen des Vereines beruhte bis zur Gründung
des norddeutschen Bundes die Einheitlichkeit der Betriebsregle-
ments. Denn wenn auch die Vereinsreglements über Personen-,
Gepäck-, Equipagen- und Viehbeförderung und die Vereinsgüter-
reglements in ihren Redaktionen von 1847, 1850, 1856, 1859 und
1865 nur den die einzelnen Unternehmen und die Specialverbände
überschreitenden Verkehr betrafen, so wurde doch bewirkt, dafs die
Lokal- und Verbandsreglements entweder einfach das Vereinsreglement
annahmen oder sich doch nur auf durch Lokalverhältnisse bedingte
Zusätze und Modifikationen beschränkten.
Neben und unter dem „Verein“ bildeten sich in geographischer
Gruppierung engere „Eisenbahnverbände“, welche in analoger
Organisation vorzugsweise die Vereinbarung über ineinandergreifende
Fahrpläne, über direkte Expeditionen und zu diesem Zwecke über
gleichmälsige Tarifierungsgrundsätze zum Gegenstande hatten. Aus
der weiteren Vereinigung mehrerer Specialverbände ging 1848 zu-
nächst der norddeutsche Tarifverband hervor. Er hat sich seit
1877 zu einem Tarifverband sämtlicher deutscher Eisenbahnverwal-
tungen erweitert und sich eine Organisation gegeben, welche auf der
Erriehtung einer ständigen Tarifkommission mit einem Ausschuls der
Verkehrsinteressenten und auf der Anerkennung der Verbindlichkeit
qualifizierter, durch Y/s der Stimmen nichtwidersprochener Majoritäts-
beschlüsse beruht?. Aus seiner Wirksamkeit sind das jetzt geltende
deutsche Tarifschema von 1877 und dessen spätere Modifikationen
hervorgegangen.
Zugleich an diese verschiedenen Gestaltungen des Einigungswesens
schlofs sich eine gewisse Verschiebung der staatlichen Aufsichtsrechte
über die Privatbahnen an. Denn aus der Beteiligung der Staatsbahn-
verwaltungen an dem Vereine und an den Verbänden zu gleichem
Rechte mit den Privatbahnen ergab es sich, dafs die Aufsichts- und
insbesondere Genehmigungsrechte der Staatsbehörden äulserlich zurück-
traten und sich vielfach nur in der Mitwirkung, in der Zustimmung
oder Ablehnung zu den Vereins- und Verbandsbeschlüssen bethätigten.
s $. die Statuten („Geschäftsordnungen‘“) in dem Berichte über die Er-
gebnisse des Betriebes der Staatseisenbahnen im Etatsjahr 1878/79, Drucksachen
des preufs. Abgeordnetenhauses von 1879/80 No. 29 Anlage II.