$ 109. Die Verpflichtungen der Bundesregierungen. 645
bahnen, die Einrichtung des Betriebes, die Bahnpolizei, die Kon-
zessionierung und die Aufsicht der Privatbahnen zu. Insbesondere
verbleibt ihnen das Recht des rechtsverbindlichen Erlasses der hier
einschlagenden Verordnungen jeder Art, auch dann, wenn sie auf
einem Beschlufs, Regulativ des Bundesrates beruhen ®.
2. Es folet an zweiter Stelle, dals den Bundesregierungen, so-
lange und soweit die Reichsgesetzgebung nicht eingegriffen hat, un-
mittelbar durch die Verfassung selbst neue und anderweitige Rechte
nicht beigelest sind, als diejenigen sind, welche in dem gültigen
Partikularrecht begründet sind. Denn einer Verpflichtung, welche den
Bundesresierungen als solchen aufgelegt ist, kann schlechterdings
nicht die Deutung beigelegt werden, dafs denselben dadurch Rechte
erwachsen, die weder in den Reichsgesetzen definiert, noch im Parti-
kularrecht begründet sind und dafs dadurch die rechtlichen Schranken
beseitigt werden sollten, die diesen Regierungen durch ihre Landesgesetze
gezogen waren‘. Das Reich hat daher nicht das Recht empfangen, im
Wege der Verordnung oder der Verfügung die Regierungen der Einzel-
staaten zu ermächtigen, Anordnungen zu treffen, die in die landesgesetz-
lichen Rechte der Autonomie der Privatbahnen eingreifen, oder ihnen
polizeiliche Gewalten der Bestrafung, der Exekution und der Verhaftung
beizulegen, die ihnen nach Partikularrecht nicht zustehen. Solche
rechtliche Anordnungen und Ermächtigungen können nur kraft der
allgemeinen Kompetenz des Reiches im Wege der Gesetzgebung regu-
liert werden’.
Kurz das Recht, welches dem Reiche unmittelbar aus der
Verfassung entspringt, geht nur dahin, von den Einzelstaaten eine be-
stimmte Weise der Ausübung der ihnen nach Malsgabe und in den
Grenzen des Partikularrechts zustehenden Regierungsrechte zu ver-
langen.
I. Zur Durehführung dieses seines Rechtes stehen
® Daher entsteht auch die Rechtsverbindlichkeit des „gleichen“ Bahn-
polizeireglements nur durch die Publikation der Bundesregierungen. Vgl.
Bahnpolizeireglement vom 30. November 1885 8 74.
* Ebensowenig als die den Einzelstaaten durch die Verfassung auferlegte
Verpflichtung zur Zahlung der Matrikularbeiträge sie von ihren Steuergesetzen
entbindet.
5 Anderer Ansicht, welche sich dem Wortlaut der Verfassung zuwider
wesentlich darauf stützt, dafs dem Reiche der direkte Erlafls der Eisenbahn-
polizeiverordnungen zugeschrieben sei, das Erkenntnis des Oberhandelsgerichtes
vom 2. Juni 1876 (Entsch. XXI 60. Auch Arndt, Verordnungsrecht S. 111.
Zorn, Staatsrecht II 49.