$ 115. „Die Zoll- und Handelsgesetzgebung“. 673
einer spezifischen Form der wirtschaftlichen Thätigkeit hat verhältnis-
mäfsig nur einen geringen Umfang — aus einem doppelten Grunde.
Zunächst liegt es in seiner Natur begründet, dafs er wesentlicher als
irgend ein anderer Zweig der Erwerbsthätigkeit auf das privat-
wirtschaftliche System, auf die Vorherrschaft des Privatrechtes gestützt
ist. Sodann und vor allen Dingen sind die Bedingungen seiner
Ordnung und Förderung in weit überwiegendem Malse durchaus all-
semeiner Natur, welche den Umsatz und die Bewegung der wirt-
schaftlichen Güter nicht nur insofern sie in der Handelsbewegung
begriffen sind, sondern den Güterverkehr schlechthin betreffen, auch
dann, wenn er sich direkt zwischen Konsumenten und Produzenten
oder aus Motiven der Liberalität oder in der Hand desselben Eigen-
tümers vollzieht. Daher denn die Ordnungen des Geld-, Kredit-,
Transportwesens, so wesentliche Bedingungen auch des Handels sie
darstellen, doch — wenigstens in ihrem ganzen Umfange — nur
kraft besonderer Verfassungsklauseln zur Kompetenz des Reiches er-
wachsen konnten.
Und gerade dieser untrennbaren Verflechtung des Handels mit
dem allgemeinen Güterverkehr entspricht es, dals die Kompetenz des
Reiches an zwei Punkten wesentliche Erweiterungen in dieser Richtung
aufweist.
I. Die Handelskompetenz ist in R.V. a. 4 Nr. 2 dem Reiche
nicht vereinzelt, sondern in der kombinierten Klausel: „Die Zoll-
und Handelsgesetzgebung“ überwiesen worden, die Zollgesetzgebung
mit der Verstärkung, dals sie nach R.V. a. 35 eine ausschliefsliche ist.
Unter Zollgesetzgebung ist aber niemals blofs die gesetzliche Ent-
scheidung der Frage begriffen worden, ob und welche Zölle vom
Standpunkt der Finanzwirtschaft des Staates aus dem Warenverkehre
aufzulegen sind. Ihre Aufgabe ist stets zugleich der Austrag des
Gegensatzes zwischen dem Freihandel- und Schutzzollsysteme gewesen.
Und von hier aus bestimmt die Zollgesetzgebung die Malsregeln,
welche geeignet sind, im Ausgleich der Interessen des Handels und
der Konsumtion einerseits und der Produktionsbedingungen anderer-
seits eine Regelung des Absatzgebietes der wirtschaftlichen Sachgüter
herbeizuführen. Sie hat daher nicht nur die finanzielle Belastung der
Güterbewegung, sondern auch die der Wirtschaftspolitik ent-
springenden Umlaufsbeschränkungen und Umlaufsverbote für ein be-
stimmtes Wirtschaftsgebiet zum Gegenstande.
Im Anschlufs an die so kombinierte Klausel des a. 4 stellt R.V.
a. 33 das beherrschende Prinzip auf: „Deutschland bildet ein
Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaft-
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staaterecht. 1. 43