678 II. Buch. Die Reichsgewalt.
solche Mafregeln im Reiche originieren müssen. Sie stehen regel-
mälsig dem Reiche selbst!’, den Einzelstaaten nur kraft besonderer
reichsgesetzlicher Ermächtigung zu '®.
c. Wie selbstverständlich kein Einzelstaat!”, so ist auch das
Reich nicht berechtist, für einzelne Gebietsteile besondere Be-
sünstigungen im Zoll- und Handelswesen eintreten zu lassen.
Darunter fallen insbesondere die Bestimmungen der Z.V.V. vom
8. Juli 1867 aa. 14 und 24, welche die besonderen Zollbegünstigungen
einzelner Melisplätze und alle Stapel- und Umschlagsrechte in Weg-
fall bringen '®.
II. Wenn in allen diesen Bestimmungen die Tendenz obwaltet,
die Befugnisse des Reiches so zu gestalten, dafs sie die Freiheit und
Gleichberechtigung des Güterverkehres innerhalb Deutschlands ver-
bürgen, so muls die Kompetenz des Reiches, genau so wie bisher die
Ordnung: des deutschen Zollvereins, auf einen Kreuzungspunkt mit
15 S. Zollgesetz vom 1. Juli 1869 88 2 und 167 Abs. 2.
16 Solche Ermächtigungen sind insbesondere enthalten rücksichtlich der
Viehseuchen im Rinderpestgesetz vom 7. April 1869 8 2, im Viehseuchengesetz
vom 23. Juni 1880 88 7. 22, rücksichtlich der Epidemieen im Z.V.V. vom
8. Juli 1867 a. 4 al. 5 (Delbrück, Art. 40 S. 24. 25). S. auch das Reblaus-
gesetz vom 3. Juli 1883.
17 Dafs kein Einzelstaat befugt ist, in der Form der Rückerstattung von
inneren Steuern auf Konsumtionsgegenstände Prämien für die Ausfuhr nach
einem anderen deutschen Staate zu gewähren, folgt aus der verfassungs-
mäfsigen Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, wie auch aus dem Grundsatze
des Indigenates. Denn die Anordnung einer Ausfuhrprämie beabsichtigt
und bewirkt eine ungleiche Behandlung der den anderen Einzelstaaten an-
gehörigen Produzenten im Vergleich mit den „Inländern“, wenn auch durch
eine Begünstigung der letzteren. Daher ist Z.V.V a.5 II $ 4 nicht Ver-
fassungsgesetz — entgegen Delbrück, Art. 40 S. 35. Al. 1 ist nur Aner-
kennung der schon aus der Reichsverfassung selbst sich ergebenden Freiheit
des partikularen Besteuerungsrechtes, die überall eintritt, wo ihr nicht be-
sondere Schranken gezogen sind. Al. 2 aber ist — nach Aufhebung der
lit. d durch Gesetz vom 19. Juli 1879 — nur einfach gesetzliche Durchführung
obigen verfassungsmäfsigen Grundsatzes.
18 Wenn im a. 14 gesagt ist, dafs solche Begünstigungen unter allseitiger
Zustimmung neu eingeführt werden können, oder wenn aus den früheren
Zollvereinsverträgen besondere Privilegien einzelner Mefsplätze in Rabatt-
privilegien, laufenden Konten, Mefskonten als Sonderrechte abgeleitet
werden konnten, so steht dies alles, entgegen der Ansicht Delbrücks, Art. 40
S. 61. 62, in Widerspruch mit dem Verfassungsgrundsatz des R.V. a. 33 und
ist deshalb nach R.V. a. 40 beseitigt. Selbstverständlich sind Begünstigungen
im juristischen Sinne nicht Einrichtungen und Vorschriften, welche im all-
gemeinen Interesse den besonderen, konkreten Verhältnissen eines Platzes oder
Wirtschaftsgebietes angepafst werden.