682 II. Buch. Die Reichsgewalt.
hier überall von dem Staatsschuldenwesen — nur unter besonderen
Voraussetzungen zu besonderen Veranstaltungen führt. Das Kredit-
wesen in seiner breiten Entfaltung ist Gegenstand der Thätigkeit des
Staates wesentlich nur in der entsprechenden Gestaltung der Privat-
rechtsgesetzgebung und in der Durchführung und in dem Schutze der
Privatrechtsordnungen durch Prozels und Strafrecht.
Auch dem Reiche ist für das Kreditwesen im allgemeinen
eine besondere Kompetenz nicht zugeschrieben. Aber seine allgemeinen
Kompetenzen, die Rechte der Beaufsichtigung und Gesetzgebung über
das gesamte bürgerliche Recht, über das gerichtliche Verfahren, über
das Strafrecht, specieller über Papiergeldemission, gewähren ihm die aus-
reichenden verfassungsmälsigen Mittel, um die Regelung des Kredit-
wesens in umfassender und erschöpfender Weise zu bewerkstelligen.
Und das Reich hat denn auch — abgesehen selbstverständlich von
den auch für das Kreditwesen mafsgebenden Bestimmungen im Handels-
gesetzbuch, in Wechsel- und Civilprozeisordnung — in einer Reihe von
Specialgesetzen die Anwendung seiner allgemeinen Kompetenzen auf
das Kreditwesen vollzogen. Dahin gehören die Gesetze über die ver-
tragsmälsigen Zinsen vom 14. November 1867, das Wuchergesetz vom
24. Mai 1880, das Verbot der Ausgabe von Inhaberpapieren auf
Prämien vorbehaltlich einer reichsgesetzlichen Ermächtigung für Reichs-
und Einzelstaatsanleihen durch das Gesetz vom 8. Juni 1871. Dahin
gehören auch wesentlich, wenn auch den dabei vorausgesetzten That-
bestand nicht ausschliefslich Kreditgeschäfte bilden, die Gesetze über
Aufhebung der Schuldhaft vom 29. Mai 1868, über die Anfechtung
der die Gläubiger verkürzenden Rechtshandlungen des Schuldners
vom 21. Juli 1879 und die Konkursordnung vom 10. Februar 1877.
Eine besondere Kompetenz ist dem Reiche erst beigelegt
worden an dem Punkte, bei dem der Kredit nicht mehr blois Hülts-
mittel des Wirtschaftsbetriebes ist, sondern vielmehr in selbständiger
Bedeutung eine besondere Organisationsform annimmt. Im Bank-
ceschäft, wie es sich heute über das Geldwechsel- und das regel-
mälsige Depositengeschäft weit hinaus entwickelt hat, wird der Kredit
als solcher Gegenstand des Unternehmens. Das Kreditnehmen, um
Kredit zu geben, die Vermittlung zwischen Kreditsuchenden und
Kreditbietern, die Ausgleichung von Zahlungsverbindlichkeiten aus
Kreditgeschäften wird hier zum Mittelpunkt des Geschäftsbetriebes.
Aber auch für die Regelung dieses Bankgeschäftes schlechthin bleibt
es bei den allgemeinen und den hier hinzutretenden Kompetenzen der
Gewerbe- und Handelsordnung. Erst wenn das Bankgeschäft über den
Individualbetrieb in den Formen der Einzelunternehmung und der