684 II. Buch. Die Reichsgewalt.
Rücksicht auf die bestehenden thatsächlichen und rechtlichen Verhält-
nisse in den Einzelstaaten einer einheitlichen Gestaltung fähig und
bedürftig sind, insbesondere ohne in wohlerworbene Rechte und ohne
in den partikularrechtlich begründeten Zusammenhang mit anderen,
den Einzelstaaten vorbehaltenen Verwaltungszweigen eingreifen zu
müssen.
Jedoch vor allen Dingen, nach Ausweis der allmählichen Ent-
stehung ihres Wortlautes?, sollte es die Klausel scharf markieren,
dafs das Reich im Gebiete des Bankwesens lediglich auf seine all-
gemeinen Befugnisse der Gesetzgebung und Beaufsichtigung beschränkt
und zu einer eigenen, unmittelbaren Verwaltung nicht berufen sei.
Aber gerade über diese zweifellose Absicht der Verfassungsbestimmung
hat sich die Entwickelung der Reichsgesetzgebung in Erweiterung der
ursprünglichen Kompetenz hinweggesetzt. Sie wurde. dazu gedrängt
durch den Zusammenhang, in welchem die Ordnung des Bankwesens
mit der des Münzsystemes steht. Wenn der Betrieb des Bank-
geschäftes schon in seinen gewöhnlichen Formen einen wesentlichen
Einfluss auf den Bedarf an baren Zahlungs- und Tauschmitteln aus-
übt, so wird dieser Einflufs für weite Kreise zu einem beherrschenden,
2 In der ersten Lesung der R.V. von 1849 hatte die Nationalversammlung
den hier einschlagenden $ 46 so gefalst: „Die Reichsgewalt hat das Recht
der Gesetzgebung und Öberaufsicht über das Bankwesen, sowie über die
Ausgabe von Papiergeld in Deutschland. Sie ist befugt, Banken anzulegen
und ihre Anlage zu bewilligen. Andere Zahlungsmittel, als Gold und Silber,
können nur mit Genehmigung der Reichsgewalt als gesetzlich erklärt werden.“
Die Bemerkungen der einzelnen Staatsregierungen (s. insbesondere Kollektiv-
note vom 23. Februar, die bayerische vom 28. Februar, auch die sächsische
vom 23. Februar 1849) befürworteten, der Bundesgewalt nur die Erlassung
allgemeiner Gesetze und die Oberaufsicht beizulegen. Die Mehrheit des
Verfassungsausschusses hielt zwar an der Reichskompetenz zur Gesetzgebung
schlechthin fest, aber sie wollte der Reichsgewalt nicht das Recht geben,
„Banken anzulegen oder zu bewilligen und ebenso das Ausgeben anderer
Zahlungsmittel, als. Gold und Silber, einzuführen, nicht an die Zustimmung
der Reichsgewalt binden“. In diesem Sinne schlug der Verfassungsausschufs
die Fassung vor: „Die Reichsgewalt hat das Recht, das Bankwesen und das
Ausgeben von Papiergeld durch die Reichsgesetzgebung zu regeln. Sie über-
wacht die Ausführung der darüber erlassenen Reichsgesetze“. Sie wurde von
der Nationalversammlung als $ 47 der R.V. angenommen. Aber auch dies war
den Unionsregierungen zu weitgreifend; ihrem früheren Standpunkt ent-
sprechend, wurde $ 46 der Unionsverfassung dahin formuliert: „Der Reichs-
gewalt steht über das Bankwesen und das Ausgeben von Papiergeld die Er-
lassung allgemeiner Gesetze und die Oberaufsicht zu“. Und diese Fassung
ist es, die den Klauseln der jetzigen R.V. a. 4 No. 3 und 4 zu Grunde liegt
und ihren ursprünglichen Sinn ergiebt. S. Wigard, Sten. Ber. VIII 5759.