Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

688 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
Bekanntmachung vom 1. Juli 1883 ihre offizielle Redaktion gefunden 
haben. Sie ihrerseits ist dann weiter ergänzt und umgestaltet worden 
durch die Reichsgesetze vom 8. Dezember 1884, 23. April 1886 und 
6. Juli 1887, vor allem durch das Gesetz vom 1. Juni 1891, welches 
eine wesentliche Umgestaltung der Arbeitsordnung bewirkte ?. 
Alle diese gesetzlichen Ordnungen haben die verfassungsmälsigen 
Grenzen der Reichskompetenz bei einer überaus verschiedenartigen 
Verteilung des Verordnungsrechtes, bei der Regelung weitgehender 
Dispensationsrechte und in dem Rechte der Beaufsichtigung eingehal- 
ten®. Die dem Reichskanzler zugeschriebenen Rechte, das Verbands- 
statut der Innungsverbände zu bestätigen und dieselben unter den 
gesetzlichen Voraussetzungen aufzulösen, beschränken sich auf solche 
Innungsverbände, welche sich über mehrere Einzelstaaten erstrecken 
und mögen mithin als Malsregeln der zwischenstaatlichen Ordnung 
betrachtet werden * Nur an zwei vereinzelten Punkten erheben sich 
die Befugnisse der Reichsorgane unzweifelhaft zu unmittelbaren Ver- 
waltungsakten. Der Bundesrat nämlich verleiht den Innungsverbänden 
die Korporationsrechte und der Reichskanzler bestätigt die Neben- 
statuten derselben, durch welche ein gemeinschaftlicher Geschäfts- 
betrieb oder Unterstützungskassen errichtet werden und zwar auch 
dann, wenn der betreffende Innungsverband sich auf einen Einzelstaat 
beschränkt. Im übrigen unterliegen auch diese Innungsverbände der 
Aufsicht nur der landesherrlichen Behörden. 
Die Schwierigkeit der näheren Bestimmung der Reichskompetenz 
liegt allein in der Begrenzung ihres Gegenstandes, in dem Begriffe 
des Gewerbes, des „aewerbebetriebes“. 
Es ist ein unbezweifelter Sprachgebrauch, unter „Gewerbe“ die 
privatwirtschaftlichen Erwerbsthätigkeiten im allgemeinen zu begreifen, 
ohne dem Gegenstande nach einen Unterschied zu machen. Man 
spricht eben so sehr von den unter das Handwerk und die Industrie 
fallenden Gewerben, wie von den landwirtschaftlichen, den berg- 
männischen, den Medizinal- und Kunstgewerben. Nur versteht man 
auch in diesem allgemeinen, vollen Wortsinn unter Gewerbe niemals 
schon eine vereinzelte, auf wirtschaftlichen Erwerb gerichtete Thätig- 
keit, sondern immer nur die planmäfsige Zusammenordnung von Einzel- 
thätigkeiten zu einem durchstehenden Erwerbszweck, eine Zusammen- 
ordnung, die sich zwar nicht allein, aber am deutlichsten in der Er- 
2 Dazu das Einführungsgesetz für Elsafs-Lothringen vom 27. Februar 1888. 
3 Die verwaltungsgerichtlichen Funktionen des Oberseeamtes für gewisse 
Schiffahrtsgewerbe stehen in eineın anderen Zusammenhange. S. $ 106. 
* Gewerbeordnung 88 104c u. g. 5 Gewerbeordnung $$ 104h u. k.
	        
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