$ 117. Der Gewerbebetrieb. 691
die partikularen Gewerbeordnungen noch weitere Schranken für das
Geltungsgebiet ihrer Bestimmungen gezogen. Sie falsten den Begriff
des Gewerbes wesentlich enger. Sie thaten dies in durchaus positiv-
rechtlicher Weise ohne jede Anlehnung an irgend einen feststehenden
„gewöhnlichen“ Sprachgebrauch. Denn für einen engeren Begriff ver-
wendet ein irgend feststehender Sprachgebrauch® das ‚Wort Gewerbe
nur in dem Sinne, dafs es, sowohl den Urproduktionen und den libe-
ralen Beschäftigungen als auch dem Handel entgegengesetzt, nur die
auf die Weiterverarbeitung gewonnener Naturprodukte gerichtete Er-
werbsthätigkeit bezeichnet?®. Aber gerade diese, einem befestigten
Sprachgebrauch konforme Bedeutung und die dem entsprechende Be-
schränkung ihres Herrschaftsgebietes haben die partikularen Gewerbe-
ordnungen nirgends und in keinem Falle angenommen. Sie knüpfen
überall die Beherrschung oder die Ausscheidung der einzelnen gewerb-
lichen Betriebe von den Bestimmungen der Gewerbeordnung entweder
an die historische Entwickelung des Zunft- und Konzessionswesens
oder an die technische Notwendigkeit, die gewerbliche Ertragssteuer
von den übrigen Steuern, insbesondere den Realsteuern einerseits und
den Einkommensteuern andererseits, abzugrenzen !’. Sie. gelangten
damit in der Hauptsache, sei es in vorausgesetzter. Selbstverständlich-
keit!!, sei es durch ausdrückliche gesetzliche Aufzählungen '? zu einer
nur negativen Begriffsbestimmung des Gewerbes, wonach dasselbe alle
Erwerbsthätiekeiten befalste, welche einerseits nicht den Zweigen der
Urproduktion und andererseits nicht den höheren künstlerischen und
wissenschaftlichen Berufen angehörten — freilich nirgends ohne in ein-
8 Die Behauptung Seydels in Hirths Annalen 1881 S. 575, dals ein
„gewöhnlicher“ Sprachgebrauch unter „Gewerbe“ zwar das Handelsgewerbe
einschlielse, aber das landwirtschaftliche Gewerbe ausschlie[se, ist nicht zu-
treffend. Richtig Zorn, Reichsstaatsrecht II 130. 131.
9 So insbesondere in der Kombination „Handel und Gewerbe“.
10 So bestimmt a. 1 der württembergischen Gewerbeordnung vom 12. Fe-
bruar 1862: „Das gegenwärtige Gesetz umfalst alle diejenigen Gewerbe, welche
der Gewerbesteuer unterliegen“.
11 So die preufsische Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845, die aber
den durch das preufsische Landrecht spezialisierten Begriff des „bürgerlichen
Gewerbes“ zur Voraussetzung hat.
12 Aufzählungsweise verfuhren die Gewerbeordnungen von Sachsen
(15. Oktober 1861 $ 1), von Bayern (30. Januar 1868 a. 32), von Braun-
schweig (3. August 1864 $ 1), von Baden (20. September 1862 a. 33), von
Österreich (20. Dezember 1859 sub V.), von Oldenburg (11.23. Juli 1861
a.182). |
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