Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

692 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
zelnen Bestimmungen diese Grenzen zu überschreiten oder zu ver- 
engern. 
Auf Grund dessen erhebt sich die Frage und zwar, da der engste, 
auch den Handel ausschliefsende Begriff des Gewerbes nach der ganzen 
Sachlage aulser jedem Betracht steht, die Alternative, ob die ver- 
fassungsmäfsige Kompetenz des Reiches nur durch jenen, zuerst ent- 
wickelten und allgemeinen, auch die Urproduktion, die wissenschaft- 
lichen und künstlerischen Gewerbe einschlielsenden, oder ob sie durch 
den zweiten, engeren, nur in den partikularrechtlichen Gewerbeord- 
nungen ausgeprägten Begriff des Gewerbes bestimmt wird. 
Zu Gunsten dieser letzten engeren Begrenzung kann ein positiver 
Anhaltspunkt nur in dem $ 6 der Gewerbeordnung gefunden werden, 
der einzelne, bestimmte Gewerbebetriebe von der Anwendung des Ge- 
setzes ausscheidet. Allein auch ihm kann eine entscheidende Bedeutung 
nicht beigelegt werden. 
Bei der Entstehung des $ 6 ist in mafsgebender Weise die Ab- 
sicht ausdrücklich abgelehnt worden, mit den vorgenommenen Aus- 
scheidungen einzelner Gewerbebetriebe von der Anwendung der Ge- 
werbeordnung irgend welches Präjudiz für die Kompetenz des Reiches 
zu schaffen. Ja es wurde nicht minder ausdrücklich hervorgehoben, 
dals die Partikulargesetzgebung über das Bergwesen — also eine 
Urproduktion —, über das Unterrichtswesen, die advokato- 
rische und Notariatspraxis — also liberale Erwerbsthätigkeiten 
— zwar im allgemeinen nicht der kewerbegesetzgebung an- 
gehören, aber allerdings Bestimmungen enthalten, „welche als gewerbe- 
gesetzliche betrachtet werden können und müssen“, also der Kompetenz 
nach auch der Gesetzgebung von Reichs wegen unterliegen. So nach 
den Motiven des Entwurfes der Gewerbeordnung von 18691?. Aller- 
dings meinte man auf der anderen Seite gewisse Erwerbsthätigkeiten 
nicht ausdrücklich von der Geltung des Gesetzes durch $ 6 aus- 
schliefsen zu müssen, sondern dies als selbstverständlich betrachten zu 
können, weil man sie als Gewerbe „nach gemeinem Sprachgebrauch 
und in Übereinstimmung mit der preufsischen Gesetzgebung überhaupt 
nicht ansehen zu können glaubt“. Dahin zählte man „z.B. Ackerbau, 
Viehzucht, Gartenbau, Forstwirtschaft, Weinbau, schöne Künste“, aber 
man hielt es für unmöglich, ein erschöpfendes Verzeichnis aufstellen 
zu können. So nach den Motiven von 1868 !%. 
13 Verhandlungen des. Reichstages von 1869, Anlage No. 13, zu $ 6. 
14 Reichstagsverhandlungen von 1868, Anlage No. 43, zu $ 6.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.