$ 6. Das Verfassungsgesetz des deutschen Reiches. 59
koll die Nr. I, I, VI, X, X, XIV, § 4. In allen diesen Fällen
schufen die vertragenden Staatsregierungen unter Mitwirkung der be-
rufenen legislativen Faktoren authentische Interpretationen
einzelner Bestimmungen in den vertragsmälsigen Formen, welche zur
Zeit allein möglich waren. Und obwohl dieselben auch später dem
Verfassungstext formell nicht eingerückt wurden, so haben sie doch
der Absicht der Vertragschliefsenden gemäls die nämliche Kraft und
Wirkung, die dem erläuterten Text der Verfassung selbst zukommt.
Sie gelten als festgestellter Inhalt dieses Textes, nicht als etwas von
ihm Verschiedenes. Die Abänderung dieser authentischen Interpretationen
ist daher gebunden an die Formen des al. 1 der R.V. a. 78 für alle
semeingültigen und überdies an das Erfordernis des al. 2 für alle
Sondervorschriften, in diesen Formen der Gesetzgebung aber auch zu-
lässig.
3. Zu einem dritten Teile sind es Vereinbarungen, wo-
durch einzelnen Bundesstaaten Zusicherungen gemacht
werden, welche eine Exemtion von der verfassungs-
mäflsigen Kompetenz des Reiches oder doch eine Modi-
fikation reichsgesetzlicher Bestimmungen begründen.
Hierunter fallen im bayerischen Schlufsprotokoll die Nr. IV, VOL, VIII,
IX, in der württembergischen Verhandlung die Nr. 2, 3 und die
württembereische Militärkonvention.
4. Endlich. sind die Bestimmungen des bayerischen Schlufsproto-
kolles in Nr. UI über die Fortdauer der Gothaer-Eisenacher Konven-
tionen und in Nr. XIV 8S 1, 2, 3 Vereinbarungen, welche
aufserhalb der Kompetenz des Reiches und aufserhalb
der Vorschriften seiner Verfassungli egrnde Rechtsver-
hältnisse ordnen.
Diese letzteren ** Vereinbarungen sind es, die noch jetzt Ver-
tragsbestimmungen darstellen, welche das Reich gegenüber den
vertragschlielsenden Staaten binden und zwar auch in ihren Ab-
weichungen von der Reichsverfassung, da sie gerade in diesem Sinne
die Zustimmung aller berufenen Faktoren in den zutreffenden Formen
empfangen haben. Sie stehen aulserhalb des Verfassungstextes und
sind auch materiell nicht Gesetz. — —
Mit dem allen bildet das Gesetz vom 16. April 1871 den letzten
Abschluls des rechtlichen Prozesses der Gründung des deutschen
Reiches *.
?* Unter 3 und 4.
25 Anderungen des Textes der Verfassungsurkunde, neben denen weit