698 II. Buch. Die Reichsgewalt.
I. Die normale Gestaltung der Reichskompetenz
entwickelt das Gesetz an den folgenden grundsätzlichen Bestim-
mungen.
1. Die Berufsgenossenschaften, welche die Träger der Un-
fallversicherung bilden, sind reichsunmittelbare Verbände;
sie sind losgelöst von der Landeshoheit der Einzelstaaten.
a. Das zeigt sich zunächst bei der Bildung der Berufsgenossen-
schaften. Dieselbe erfolgt sowohl in erster Anlage als in späteren
Umbildungen von Reichs wegen und zwar durch konstituierende
Akte des Bundesrates, seien dies Zustimmung zu der frei-
willigen Bildung der Interessenten oder unmittelbare Anordnung und
Entscheidung bei Unterlassung oder versagter Genehmigung der
freiwilligen Bildung oder bei Auflösung leistungsunfähiger Genossen-
schaften und Zuweisung ihrer Industriezweige an andere®.
b. Das zeigt sich‘ ferner darin, dals nicht nur, wie regelmälsig,
die Verordnungs- und Regulativgewalten?®, sondern alle Befugnisse
der vollziehenden Verwaltung, welche gegenüber den Berufsgenossen-
schaften zur Geltung zu bringen sind, insbesondere die Aufsichtsrechte,
ausschlie[slich den Organen des Reiches zustehen.
Dies ist in einzelnen Fällen der Bundesrat. Ihm sind be-
stimmte Verwaltungsakte — Dispensation von der Versicherungs-
pflicht, Vermehrung der Schiedsgerichte — vorbehalten und er bildet
die Beschwerdeinstanz bei Versagung der Genehmigung zu den statu-
tarischen Beschlüssen der Genossenschaften *.
Regelmässig aber ist das berufene Organ des Reiches das
Reichsversicherungsamt. Ihm gebühren die die genossen-
schaftliche Willensbildung vermittelnden oder ergänzenden Akte?, alle
gesetzlich geforderten Genehmigungen zu Beschlüssen und statutarischen
Bestimmungen ®, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung aller inneren
Genossenschaftsstreitigkeiten”? und aller Streitigkeiten zwischen den
2 U.V.G. 88 12. 15. 31. 33.
® Sie sind vielfach auf das Reichsversicherungsamt übertragen. Vgl.
U.V.G. 88 5 al. 9. 43. 4. Die Bestimmung $ 1 al. 5 hat die Natur eines
Rechtes authentischer Interpretation.
* U.V.G. 8 1al.7. 88 20. 46.
5 Einberufung der konstituierenden General- und Genossenschaftsversamm-
lung, Erlafs des Statutes bei zweimaliger Nichtgenehmigung, Feststellung der
Gefahrentarife bei Versäumnis oder Versagung der Genehmigung. U.V.G.
88 13. 16. 20. 28.
e U.V.G. 88 18. 20. 28. 30. 78.
? U.V.G. 8$ 28. 37. 39. 59. 62. 73. 80. 83. 86. 89. 106.