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das preulsische Begleitschreiben vom 10. Februar an Metternich spricht
die Überzeugung aus: „dals, wenn es der künftigen Verfassung an
einem Bundesgericht fehlt, man nie wird die Überzeugung aufheben
können, dafs dem Rechtsgebäude in Deutschland der letzte und not-
wendigste Schlufsstein mangle“°. Doch schon der weitere Entwurf
Humboldts aus dem Anfang April!°, noch mehr der österreichische
Gegenentwurf Wessenbergs!! vom Mai enthalten Verkürzungen und
Abschwächungen. Aber immerhin — auch der zwischen Österreich
und Preufsen vereinbarte Entwurf, der endlich am 25. Mai 1815 der
allgemeinen Konferenz der deutschen Staaten zu Grunde gelegt wurde,
enthält noch in a. 91? die Forderung, dafs der Bundesversammlung
ein ständiges Bundesgericht beigeordnet werde. Erst dem hartnäckigen
Widerstande Bayerns!?® war es vorbehalten, jede Form eines ständigen
Bundesgerichtes aus der Bundesverfassung zu eliminieren. Die Bundes-
akte vom 8. Juni 1815 endete in einer „wohlgeordneten Austrägal-
instanz“, welche in einer Bildung von Fall zu Fall und ausschliefslich
für Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander der Bundesver-
sammlung beigeordnet wurde. Und hierbei ist, abgesehen von einigen
kleinen Erweiterungen der Kompetenz der Austrägalinstanz durch die
Wiener Schluflsakte!*, die lange Zeit des deutschen Staatenbundes
stehen geblieben.
Allerdings die Verfassungen, die den Bestand des deutschen
Staatenbundes zeitweilig durchbrachen und den Bundesstaat, das
deutsche Reich und die deutsche Union an seine Stelle setzten, erheben
das „Reichsgericht“ zum „notwendigsten Schlulsstein“ ihrer Organi-
sationen. Die deutsche Reichsverfassung von 1849 —
° Klüber, Akten II 6. 10 Ebenda I, 104. 11 Ebenda II 308.
12 „Die Entscheidung in streitigen Fällen über staatsrechtliche Verhält-
nisse, sowohl der einzelnen Mitglieder zum ganzen Bunde, wie auch der ver-
schiedenen Bundesstaaten zueinander, wird der Bundesversammlung vorbe-
halten. Dieselbe ordnet sich ein Bundesgericht bei, an dessen Besetzung alle
seine Mitglieder verhältnismäfsigen Anteil nehmen. Die Gegenstände und
den Umfang der Wirksamkeit desselben bestimmen die Grundgesetze des
Bundes. Klüber, Akten II 314. |
13 Konferenzprotokolle vom 30. Mai und 3. Juni 1815. Klüber, Akten
II 424. 499. 500.
1* Auf den Schutz des jüngsten Besitzstandes, a. 20, auf Entscheidung
der Vorfrage, wenn die Verbindlichkeit, Privatforderungen zu befriedigen,
zwischen mehreren Bundesgliedern bestritten ist, a. 30. Der Scheinbeschlufs
der Bundesversammlung vom 30. Oktober 1834 auf Einsetzung eines Bundes-
schiedsgerichtes zur Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten zwischen Re-
gierung und Ständen bedarf keiner Erwähnung; dasselbe sollte nur in Wirk-
samkeit treten, wenn sich von Fall zu Fall beide Teile darauf einigten.