$ 123. Die Generalklausel. 123
Generalklausel nicht berechtigt, die Verwaltungsgerichtsbarkeit
auf den den Einzelstaaten vorbehaltenen Verwaltungszweigen, auch
nicht das Disciplinarverfahren über ihre Beamten zu ordnen. Daher
ist auch das Reich aus der Generalklausel nicht kompetent,
Rechtsstreitigkeiten, welche einen Thatbestand betreffen, der unter die
Kompetenz der Landesgesetzgebung fällt und hiernach öffentlichrecht-
lich geregelt ist, den ordentlichen oder besonderen Gerichten zu über-
weisen — in der legislativen Erwägung, um den in Frage stehenden
Rechten einen erhöhten Rechtsschutz zu. verleihen. Jedoch ist hiervon
die andere Frage vollkommen verschieden, ob und inwieweit das Reich
über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Rechts-
weges in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten oder in Strafsachen zu
entscheiden hat — eine Frage, die in verschiedenem Sinne erörtert
worden ist?.
Zweifellos ist es hier, dafs dem Reiche unbeschränkt die Ent-
scheidung zufällt, ob eine Strafsache den Gerichten zu überweisen oder
ob dieselbe aus irgend welchen legislativen Gesichtspunkten den Ver-
waltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten überhaupt oder doch in
Beschränkung auf einen Öffentlichrechtlichen Inzidentpunkt — wie bei
der Verfolgung öffentlicher Beamten nach Egs. z. G.V.G. a. 11 — vor-
zubehalten sei.
Aber das Nämliche hat auch zu gelten für das bürgerliche
Recht: in materieller Beziehung, insofern nach legislativen Gesichts-
punkten zu entscheiden ist, ob ein der alternativen Bestimmung zu-
gänglicher Thatbestand öffentlichrechtlich oder privatrechtlich kon-
struiert werden soll; in formeller Beziehung, insofern es sich um
die gesetzgeberische Entscheidung handelt, ob ein auf Privatrecht ge-
gründeter Anspruch darum, weil derselbe einen nach öffentlichem Recht
zu beurteilenden Thatbestandsmoment aufweist oder weil die Gegen-
partei seine Öffentlichrechtliche Natur behauptet oder weil ihm öffent-
lichrechtliche Gegenansprüche entgegengesetzt werden, dem gericht-
lichen Verfahren zu entziehen sei oder nicht.
Endlich steht es dem Reiche zu, wenn auf Grund der getroffenen
8 Insbesondere bei Gelegenheit des Antrages Bähr in den Kommissions-
verhandlungen des Gerichtsverfassungsgesetzes. Derselbe versuchte, den Be-
griff des bürgerlichen Rechtes zu definieren und Bestimmung darüber zu
treffen, in welchen Fällen die einem bürgerlichen Anspruche entgegengesetzten
Behauptungen öffentlichen Rechtes die Kompetenz der Gerichte aufheben oder
fortbestehen lassen. Protokolle zum Gerichtsverfassungsgesetz S. 469 ff. Kom-
missionsbericht zu demselben S. 14ff. Verhandlungen des Reichstages vom
20. November 1876 S. 210 ff.
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