Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 123. Die Generalklausel. 125 
über das Gebührenwesen erforderlich sein, wenn die Aufgaben erfüllt 
und die Bürgschaften gewährt werden sollen, welche in planvoll über- 
einstimmender Gesamtauffassung die gesetzgeberische Gestaltung des 
gerichtlichen Verfahrens vor Augen haben muls. Und diese erweiterte 
Deutung der Kompetenz des Reiches über das gerichtliche Verfahren 
ist es denn auch, die in langen, immer wiederholten Erörterungen, in 
voller grundsätzlicher Übereinstimmung aller mafsgebenden Faktoren 
anerkannt worden ist* —, eine grundsätzliche Übereinstimmung, die 
allerdings die Begrenzung nach der nicht minder anerkannten Selb- 
ständigkeit der landesherrlichen Justizverwaltung hin dem gesetz- 
* Die Erörterungen über die Tragweite der Bestimmung über das „ge- 
richtliche Verfahren“ begannen mit dem Antrag Wagner-Planck: „Den Bundes- 
kanzler aufzufordern, Entwürfe eines gemeinsamen Strafrechtes und eines 
gemeinsamen Strafprozesses, sowie der dadurch bedingten Vor- 
schriften der Gerichtsorganisation — vorlegen zu lassen“ — Verh. 
des Reichstages vom 18. April 1868 —. Sie wurden fortgesetzt bei Ein- 
bringung des Antrages Miquel 1869, welcher die Erweiterung der 
Kompetenz des Reiches auf die gemeinsame Gesetzgebung über das ge- 
samte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren, 
„einschlie[slich der Gerichtsorganisation“, verlangte (Verh. des 
Reichstages 1869, 19. und 28. April, 5. Mai) und bei Wiederholung dieses 
Antrages durch Abg. Lasker 1871 (Verh. des fReichstages 1871, 9. und 
15. November). Beide Anträge wurden im Bundesrat „ziemlich einstimmig“ 
abgelehnt. Erst als Abg. Lasker 1872 den jetzigen Text der Verfassung, also 
unter Weglassung des früher beantragten Zusatzes: „einschliefslich der 
Gerichtsorganisation® in Vorschlag brachte (Verh. des Reichstages, 29. Mai 
und 5. Juni 1872) und 1873 wiederholte, wurde am 2. April 1873 seitens des 
Bundesrates die Annahme „entweder einstimmig oder mit Verfassungsmehr- 
heit“ in Aussicht gestellt und durch das Gesetz vom 20. Dezember 1873 ver- 
wirklicht. Auf Grund dieser Vorgänge stellten die Motive zum Gerichts- 
verfassungsgesetz 1874 (Anlagen zu den Verh. des Reichstages ad No. 4 S. 1) 
fest: „Wenn bei Beratung des deutschen Verfassungswerkes und späterer auf 
art. 4 No. 13 desselben sich beziehender Anträge eine ausdrückliche Er- 
weiterung der Kompetenz des deutschen Reiches auf die Gesetzgebung über das 
gerichtliche Verfahren, „einschliefslich der Gerichtsorganisation“, 
Widerspruch gefunden hat, so ist dieser Widerspruch stets in einer Weise 
begründet worden, die ersehen liefs, dafs man die ausdrückliche Hervor- 
hebung jener Worte für unnötig hielt, soweit es sich um solche 
Anordnungen über die Gerichtsorganisation handele, welche 
sich aus der Einrichtung des Verfahrens selbst als die natur- 
gemäfse und notwendige Voraussetzung oder Ergänzung des- 
selben ergeben“. Auch die spätere Diskussion des Gerichtsverfassungs- 
gesetzes im Reichstage am 24. und 25. November 1874 (s. insbesondere die 
Äufserungen des Justizministers Leonhardt S.276, Dr. Meyer $. 320 ff., Miquel 
S. 336) und am 25. November 1876 (s. hier wiederum die Erklärung Leonhardts 
S. 359) hält unverändert an dieser Auffassung fest.
	        
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