Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 125. Das Zusammenwirken der Gesetzgebung des Reiches ete. 733 
Umfange und unter welchen Modalitäten sie die Kompetenz der ordent- 
lichen: Gerichte beschränken will. Sie hat dies nach beiden Seiten 
hin gethan. Sie hat in einzelnen Fällen „besondere Gerichte“ 
angeordnet: die Militärgerichte®, einschliefslich der Kriegsgerichte im 
Falle der Kriegszustandserklärung, die Konsular- und Kolonialgerichte, 
die Prisengerichte, die Gewerbegerichte*. Sie hat in andern Fällen 
die Verwaltungsbehörden zur Entscheidung bürgerlicher Rechts- 
streitickeiten und Strafsachen berufen: so in Poststrafsachen — Post- 
gesetz vom 28. Oktober 1871 $$ 34 ff. — so für gewisse Zuwiderhand- 
lungen gegen die Vorschriften der Seemannsordnung vom 27. Dezember 
1872 (8 101) und gegen das Gesetz von gleichem Datum über die 
Mitnahme hülfsbedürftiger Seeleute, so in bürgerlichen Streitigkeiten 
aus $ 58 des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juli 1883. 
Allein für alle diese Bestimmungen ist die Aufstellung des Be- 
griffes der ordentlichen Gerichtsbarkeit belanglos. Denn die Reichs- 
sesetzgebung ist selbstverständlich berechtigt, Ausnahmen von ihren 
eigenen grundsätzlichen Feststellungen vorzunehmen und damit ein- 
zelne Gegenstände der Gerichtsbarkeit einem besondern Verfahren 
vor besondern Behörden vorzubehalten. Vielmehr hat die getroffene 
negative Begrifisbestimmung der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur da- 
durch eine selbständige rechtliche Bedeutung, dafs sie eine weitere, 
bedeutsame Ermächtigung der Landesgesetzgebung ent- 
hält, den Geltungsbereich der Reichsgesetzgebung durch Abänderung 
der grundsätzlichen Kompetenz der ordentlichen Gerichte zu be- 
schränken. 
Der nähere Umfang der Ermächtigung ist aber ein verschiedener, 
je nachdem es sich um Überweisung von Strafsachen und bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeiten an besondere Gerichte oder an Verwaltungsbehör- 
den, einschliefslich der Verwaltungsgerichte, handelt. 
l. Die Bestellung oder Fortdauer „besonderer Gerichte“ 
auf Grund der Landesgesetzgebung ist auf bestimmte, durch die 
Reichsgesetzgebung zugelassene Fälle des bürgerlichen Rechtes und 
des Strafrechtes beschränkt. Dieselben werden bezeichnet entweder 
durch die Person der Partei: die Landesherren und ihre Familien- 
mitglieder — E.G.V.G. 8 5, die Standesherren — ebd. 8 5, oder 
durch die Eigenart des Rechtsfalles: die nach den näheren Malfsgaben 
3 Doch beruhen diese in Bayern und zur Zeit in Württemberg auf zu- 
gelassenen Landesgesetzen. S. R.V. Schlufsbestimmung zum XI. Abschnitt 
und Militärgesetz vom 2. Mai 1874 8 39. 
4 Gesetz, betr. die Gewerbegerichte vom 29. Juli 1890.
	        
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