& 126. Die Beaufsichtigung des Reiches (Justizverweigerung). 737
kein anderer, als der auf den sonstigen Verwaltungsgebieten. Sie hat
zwar ihre Bedeutung auch vor Erlafs der einschlagenden Reichsgesetze
und behält dieselbe auch dann, wenn die ergehende Gesetzgebung den
Inhalt der Kompetenz nicht erschöpft, aber ihr Hauptgewicht fällt
immerhin in den Umfang der erlassenen Reichgesetze. Sie
richtet sich, wie immer, nur gegen die Einzelstaaten als solche, sie
ist das Mittel, um diese zur Erfüllung ihrer verfassungsmälsigen
Pflichten, insbesondere zur vollständigen und übereinstimmenden Voll-
ziehung der Reichsgesetze zu veranlassen, aber sie gewährt den Reichs-
angehörigen selbst kein Rechtsmittel im technischen Sinne zum Schutze
der ihnen aus der Reichsgesetzgebung erwachsenden Rechte.
Allein diese regelmälsige und gemeingültige Form der Beauf-
sichtigsung hat im Gebiete der Rechtspflege teils auf Grund besonderer
Anordnungen der Verfassung, teils in Erweiterung ihrer ursprünglichen
Bestimmungen eine wesentliche und folgenreiche Umgestaltung er-
fahren.
I. In einfacher Herübernahme des Wortlautes der Wiener Schluls-
akte a. 29 wurde aus der Initiative des konstituierenden Reichstages
der R.V. als a. 77 eingefügt:
„Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung
eintritt und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht er-
langt werden kann, so liegt dem Bundesrate ob, erwiesene, nach
der Verfassung und den Gesetzen des betreffenden Bundesstaates
zu beurteilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte
Rechtspflege anzunehmen und darauf die gerichtliche Hülfe bei der
Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlals gegeben hat, zu
bewirken!.“
Zweifellos liegt hier eine Ermächtigung vor, die, als Kontrolle
über das gesetzmälsige Funktionieren der Gerichte, dem allgemeinen
Besriff der Beaufsichtigung anheimfällt. Aber trotzdem greift die
Bestimmung über die Beaufsichtigung des Reiches in dem positiv-
rechtlichen beschränkten Sinne der Verfassung weit hinaus.
Denn zunächst — die oberste Bürgschaft, die hier für den von den
Gerichten zu gewährenden Rechtsschutz sich bietet, wird geleistet
in der Weise und mit der Wirkung einer eigenen Recht-
sprechung des Reiches.
Dieselbe greift sodann platz ganz unabhängig davon, ob und in
ı $. insbesondere Klüber, Öff. R. d. d. Bundes $ 169. Zachariä,' D.
Staats- und Bundesrecht $ 281.
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. 1. 47