$ 7. Die Verfassungen der Einzelstaaten. 63
senüst?. Damit waren der Begründung normaler Bundesverhältnisse
grölsere Schwierigkeiten entgegengestellt als in irgend einer anderen
Staatengesellschaft. Auch die rechtliche Gestaltung derselben mulste
mit innerer Notwendigkeit die Rückwirkung dieser thatsächlichen Grund-
lagen erfahren.
Erst der Hinzutritt der süddeutschen Staaten bewirkte in der
gegensätzlichen Verschiedenheit der Machtverhältnisse einen gewissen
Ausgleich. Die Zahl der Staaten, die das deutsche Reich vereinigte,
erhob sich nach dem ersten Artikel der Reichsverfassung auf 25.
Aber nicht nur der äufsere Bestand, auch das innere Ver-
fassungsrecht der Einzelstaaten® erlitt mit der Begründung der
neuen Bundesverhältnisse eine volle Umwandelung. Der Wirkungs-
kreis, die Bedeutung seiner Organisation, die gesamte Rechtsstellung
jedes derselben wurde eine andere. Aber gerade diese entscheidenden
Rückwirkungen konnten nach der rechtlichen Natur der deutschen
Reichsverfassung, als des obersten Gesetzes, das keine Deutung und
keine Formulierung seiner Wirkungen in partikularrechtlichen Formen
duldet, einen Ausdruck in den Verfassungsgesetzen der Einzelstaaten
nicht finden.
So ist der Bestand der partikularen Verfassungs-
gesetze* derselbe, der sich in allem Wesentlichen unter der Herr-
schaft des deutschen Bundes festgestellt hatte.
Nur zwei Einzelstaaten sind in der Eigenart ihrer Verfassungen
®2 Die. Bundesakte vom 8. Juni 1815 sah vor, dafs die Bundesglieder,
deren Besitzungen nicht eine Volkszahl von 300000 Seelen erreichen, sich zur
Bildung eines gemeinschaftlichen obersten Gerichtshofes mit anderen Bundes-
gliedern vereinigen werden.
3 Die Litteratur über „das positive deutsche Staatsrecht seit der Grün-
dung des Bundes“ s. bei R. von Mohl, Die Geschichte der Litteratur der
Staatswissenschaften II (1856) 237 f. Die abschliefsenden Erscheinungen über
das partikulare Staatsrecht bildeten H. Zöpfl, Grundsätze des gemeinen
deutschen Staatsrechtes, 5. Aufl., 2 Bde., 1863. H. A. Zachariae, Deutsches
Staats- und Bundesrecht, 3. Aufl., 2 Bde., 1865. 1867. Jos. Held, System
des Verfassungsrechtes der monarchischen Staaten Deutschlands, 2 Bde., 1856.
1857. Dem treten hinzu: Grotefend, Das deutsche Staatsrecht der Gegen-
wart, 1869. von Gerber, Grundzüge eines Systemes des deutschen Staats-
rechtes, 3. Aufl. 1880, und die Werke, die die Darstellung des Reichsrechtes
mit dem Partikularstaatsrecht verbinden, von H. Schulze, von Kirchen-
heim, G. Meyer.
* Sammlungen derselben sind: Pölitz und Bülau, Die europäischen
Verfassungen, 4 Bde., 2. Aufl., 1832 ff. H. A. Zachariä, Die deutschen Ver-
fassungsgesetze, 1855, und 2 Supplemente, 1858. 1862. F. Stoerk, Handbuch
der deutschen Verfassungen, 1884.