Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 126. Die Beaufsichtigung des Reiches (Justizverweigerung). 741 
erstmalig den Thatbestand: die Justizverweigerung im Einzelstaate, an 
welchen sich das vom Reiche gewährte Rechtsmittel überhaupt erst 
knüpfen kann. 
3. Als dem zuständigen Organe liegt dem Bundesrate eine doppelte 
Funktion ob. 
a. Er hat den Rechtsspruch zu fällen, ob nach Malsgabe der 
gesetzlichen Bestimmungen und der zu erbringenden thatsächlichen 
Beweise eine Verweigerung oder Hemmung der Justiz vorliegt und 
demgemäls die Beschwerde „anzunehmen“ ist oder ob dies nicht der 
Fall und die Beschwerde demgemäfs abzuweisen ist. 
Zweifellos ist hierfür der Bundesrat ermächtigt, in den regel- 
mälsigen verfassungs- und geschäftsordnungsmälsigen Formen die Ent- 
scheidung selbst abzugeben. Auch ist der Bundesrat befugt, den Ver- 
spruch der Rechtsfrage in jedem einzelnen Falle einer anderen Be- 
hörde zu übertragen und denselben seiner Verkündigung zu Grunde 
zu legen. Aber nicht minder unzweifelhaft ist das Reich kompetent, 
im Wege der Gesetzgebung das jeder besonderen Ordnung entbehrende 
Verfahren zu regeln und eine Behörde dauernd zu organisieren, welche 
an Stelle und unter der Autorität des Bundesrates die richterlichen 
Funktionen wahrzunehmen hat. 
b. Tritt nach Mafsgabe des gefällten Rechtsspruches der Fall der 
„Annahme des Rechtsmittels“ ein, „so liegt dem Bundesrate ob, die 
gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde 
Anlafs gegeben hat, zu bewirken“. 
Es kann dies, wenn die Vornahme einer bestimmten Handlung 
durch die Regierung des Einzelstaates in Frage steht, im Wege der 
Exekution gegen denselben geschehen müssen. Aber die Bewirkung 
der gerichtlichen Hülfe kann auch in einer unmittelbaren rechtlichen 
Wirksamkeit der gefällten Entscheidung bestehen, wenn dieselbe die 
Unanwendbarkeit eines Gesetzes oder einer Verordnung auf den be- 
klagten Fall oder die Nichtigkeit einer Einzelverfügung, an welche 
die Gerichte formell gebunden waren, ausspricht oder wenn die Lage 
des Falles die Begründung eines Gerichtsstandes kraft höheren Auf- 
trages erforderlich macht. Die Gerichte und sonstigen Behörden des 
Einzelstaates sind auf Grund der Ermächtigung der R.V. a. 77 an 
Entscheidungen solchen Inhaltes unmittelbar gebunden. 
II. Wenn die Reichsverfassung durch eine besondere Klausel die 
Beaufsichtigung des Reiches über die Rechtspflege zu dem Rechts- 
mittel der Justizverweigerungsbeschwerde erweitert, so entbehrte die- 
selbe im Gegenteile jeder Bestimmung, um die Antinomie zu beseitigen, 
welche aus dem Rechte zur Beaufsichtigung einerseits und der An-
	        
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