Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

748 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
fassungsmälsiges Recht der Einzelstaaten . zur Voraus- 
setzung. Wie den Einzelstaaten in den regelmälsig gestalteten Kom- 
petenzgebieten die einzelnen Verwaltungszweige unter der Gesetz- 
gebung und Beaufsichtigung des Reiches zu eigenberechtigter 
Vollziehung zustehen, so geschieht dies auch im Gebiete der Rechts- 
pflege. Nur die rechtliche Natur der Rechtsprechung fordert es, 
dafs hier die Beaufsichtigung des Reiches in der Form einer eigenen, 
den Einzelstaaten übergeordneten Gerichtsbarkeit ausgeübt wird. 
Diese verfassungsmälsige Grundstellung des Reichsgerichtes cessiert 
der Natur der Sache nach überall da, wo das Reich kraft besonderer 
Kompetenzbestimmungen der Verfassung oder verfassungsändernder 
Gesetze zu unmittelbarer und eigener Verwaltung unter Elimination 
der Einzelstaaten berufen ist. Insoweit hier eine Rechtsprechung 
platzgreift, geschieht dies in allen Instanzen durch Reichsorgane 
und das Reichsgericht, wenn es als Instanz bestellt wird, nimmt 
hier, wie in der Konsular- und Kolonialgerichtsbarkeit oder in den 
Streitentscheidungen aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit des Patent- 
wesens°, nur die Stellung eines letztinstanzlichen Gerichtes in einem 
staatsrechtlich ungebrochenen Instanzenzug ein, oder es bildet, wie 
bei Ausübung der eigenen Strafgewalt des Reiches in Hoch- und 
Landesverrätereien, eine einzige, erste und zugleich letzte Instanz. 
II. Die prozessualische Stellung des Reichsgerichtes wird 
begründet durch die Zuständigkeit, welche demselben innerhalb des 
allgemeinen Umfanges der ordentlichen Gerichtsbarkeit beigelegt ist. 
Sie wird bezeichnet teils durch das R£chtsmittel, für welches grund- 
sätzlich das Reichsgericht die entscheidende Instanz bildet, teils durch 
bestimmte Funktionen höchster, korrigierender und ergänzender 
Prozefsleitung. 
1. Die Stellung des Reichsgerichtes im Gesamtsysteme der Ge- 
richtsbarkeit mufste notwendig, ja vorzugsweise seinen Ausdruck finden 
in der Gestaltung des Rechtsmittels, zu dessen Entscheidung es prin- 
cipaliter berufen wurde. Es ist dies die Revision. Ihre Eigen- 
tümlichkeit charakterisiert sich an drei Punkten. 
a. Die Revision reflektiert nur auf diejenige ‚Seite der Recht- 
sprechung, welche in der Auffindung des für den Rechtsfall zutreffen- 
den Rechtssatzes und in der Bestimmung seines Inhaltes liest. Sie 
kann sich nur darauf stützen, dals das Gesetz durch das angefochtene 
Urteil verletzt sei — in dem Sinne, dals eine Rechtsnorm nicht oder 
9 Bei Nichtigkeitserklärungen und Zurücknahmen des Patentes im Unter- 
schiede von den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus dem Patentgesetze.
	        
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