$ 130. Die Gebiete eigener und unmittelbarer Reichsverwaltung. 768
U. Kapitel.
Die eigene Gerichtsbarkeit des Reiches.
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Die Gebiete eigener und unmittelbarer Reichsverwaltüng.
Weit hinaus über die ursprünglich in der Verfassung allein an-
geleste Kompetenz, die Rechtspflege der Einzelstaaten gesetzgeberisch
und beaufsichtigend zu regeln, hat sich im Verlaufe der Entwickelung
eine eigene Gerichtsbarkeit des Reiches in dem Reichsgerichte, als
oberstem Privatrechts- und Strafgerichtshofe, in dem Bundesamte für
das Heimatswesen, in dem Oberseeamte, in dem Reichsversicherungs-
und Patentamte organisiert. Hieran schliefsen sich die Erscheinungen
der Rechtspflege des Reiches, welche in der Verfassung selbst, in deren
originären Kompetenzbestimmungen ihre Begründung finden.
Die Verfassung bezeichnet die Verwaltungsgebiete, auf denen das
Reich nicht auf Gesetzgebung und Beaufsichtigung beschränkt ist, auf
denen ihm vielmehr eine eigene und unmittelbare Verwaltung oder
doch solche erweiterten Rechte zustehen, die die regelmäfsigen Voll-
zugsrechte der Einzelstaaten und zwar auch in der Form der Recht-
sprechung abmindern. Soweit diese besonderen Bestimmungen der Ver-
fassung reichen, soweit reicht auch die Kompetenz des Reiches, die
Rechtspflege auf diesen Verwaltungsgebieten an Sich zu ziehen und
durch eigene Organe auszuüben.
1. Auf der dem Reiche zur Behauptung seines Bestandes und
seiner Funktionen durch die Verfassung zugeschriebenen eigenen
Straf- und Zwangsgewalt beruht die Stellung des Reichsgerichtes,
als des Gerichtshofes erster und letzter Instanz in den Fällen des
Hochverrates und des Landesverrates, insofern diese Ver-
brechen gegen den Kaiser und das Reich gerichtet sind!.
Auf ihr auch beruht es, dafs im Falle der Erklärung des Kriees-
zustandes durch den Kaiser und der hierbei erfolgten Suspension der
regelmälsigen Gerichte die Kriegsgerichte, unter ausschliefslicher
Autorität des Kaisers, fungieren und die durch sie ausgeübte aulser-
‘ordentliche Gerichtsbarkeit Gerichtsbarkeit des Reiches ist ?.
2. Den völkerrechtlichen Befugnissen des Reiches entspringt die
Konsulargerichtsbarkeit, wie sie in dem Gesetze vom 10. Juli
‚1879 ihre Regelung gefunden hat. Sie bedeutet in den auswärtigen
Ländern, in denen ihre Ausübung durch Herkommen oder Staats-
18.872. 28.87.