$ 131. Die organische Rechtspflege insbesondere. 167
einschliefslich des Begnadigungsrechtes, steht dem
Kaiser als Inhaber der militärischen Befeblsgewalt
und die Militärgerichtsbarkeit in ihren weiteren Glie-
derungen steht den Militärbefehlshabern als solchen
und nicht den Landesherren als Kontingentsherren zu.
Damit ist es zugleich gesagt, dals das preuflsische General-
auditoriat, trotz seines Titels, nicht blofs als oberster Militär-
gerichtshof für die Marine, sondern in allen seinen Funktionen
Reichsbehörde ist, sowie dals alle unter der obersten Ge-
richtsherrlichkeit des Kaisers fungierenden Kriegs-,
Stand- und Instanzgerichte Reichsgerichte sind.
Allerdings greift dies kraft der Verfassung in ihrer Schlulsbestim-
mung zum XI. Abschnitt nicht Platz für Bayern — hier sind die
Militärgerichte besondere Landesgerichte!°, und ebensowenig kraft
der verfassungsmälsigen Militärkonvention vom 21./25. November 1870
für Württemberg!!! — hier steht die Militärgerichtsbarkeit kraft
besonderer Bestimmung dem Kontingentsherrn zu; auch weist das
Königreich Sachsen, als einen der Verfassung widersprechen-
den modus vivendi, den gleichen Thatbestand wie Württemberg
auf. Allein im übrigen ist das, was die Verfassung fordert, durch
die einzelnen Militärkonventionen zur Durchführung gelangt. Nur
einzelne Zulassungen sind es, wenn bezüglich der Landesange-
hörigen das Begnadigungsrecht bei nicht militärischen Vergehen den
Landesherren überlassen ist — Badisches Schlufsprotokoll vom 25. No-
vember 1870 a. 8, Oldenburgisches Schlufsprotokoll vom 15. Juli
13867 a. 8 —, wenn überdies zur Ausübung des kaiserlichen Bestäti-
gungsrechtes das Einverständnis des Landesherrn einzuholen ist —
Hessische Konvention vom 13. Juni 1871 a. 14, Mecklenburgische
Konventionen vom 24. Juli und 9. November 1868 a. 6 —.
& 131.
Die organische Rechtspflege insbesondere.
Die organische Rechtspflege d. i. die unter Anwendung von Rechts-
sätzen zu bewirkende Schlichtung von Streitigkeiten, in welchen aus-
schliefslich die Organe des Staates in ihren gegenseitigen Berechti-
gungen und Verpflichtungen als Parteien sich gegenüberstehen, ge-
winnt notwendig in der eigentümlichen Gestaltung des Reiches nicht
10 Bayerische Militärstrafgerichtsordnung vom 6. November 1872.
11 Württembergische Militärstrafgerichtsordnung vom 20. Juli 1818.