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Die Formen der Kompetenz-Kompetenz und der Schutz der Einzel-
staaten.
In den verschiedenen Bundesverfassungen sind die für Verfassungs-
änderungen und damit für Kompetenzänderungen vorgeschriebenen be-
sonderen und erschwerten Formen, die den formellen Unterschied von
der einfachen Gesetzgebung begründen, verschieden gestaltet.
In der Schweiz und in Nordamerika! geschieht dies durch
eine dreifache Reihe von Bestimmungen, die ein überaus verwickeltes
Verfahren bedingen.
Zunächst durch eine besondere Gestaltung der gesetzgeberischen
Initiative, für die noch anderweitige Faktoren als bei der einfachen
Gesetzgebung berufen werden. In der Union sind dies die Einzel-
staaten dergestalt, dafs der übereinstimmende Beschlufs von ?/s der-
selben den gesetzgeberischen Prozels in Bewegung setzt, in der Eid-
genossenschaft der Antrag von 50 000 stimmberechtigten Bürgern.
In beiden Bundesverfassungen sodann treten den zur einfachen
Gesetzgebung berufenen Organen für Verfassunssänderungen andere
Faktoren mitwirkend und die Rechtsgültigkeit fernerweit bedingend
hinzu. In der Union? sind dies die Leeislaturen oder — wenn der
Kongrels so bestimmt — die Konventionen der Einzelstaaten, von
denen °/s dem verfassungsändernden Beschluls des Kongresses zu-
stimmen müssen. Es sind dies in der Schweiz die Schweizer Bürger-
schaft und die Kantone dergestalt, dafs die Übereinstimmung der
1 Schweizer Bundesverf. aa. 118— 123 (Revision vom 5. Juli 1891). Amerik.
Unionsverf. art. V.
?2 In einem Falle, der allerdings nie praktisch geworden ist, beruft die
Unionsverfassung sogar vollkommen andere Faktoren zur Verfassungs-
revision, als zur regelmäfsigen Gesetzgebung, dann nämlich, wenn die Initiative
von 2s der Einzellegislaturen ausgeht. Hier ist der Kongrefs verpflichtet,
eine „Konvention“, also eine verfassungsgebende Nationalversammlung zu be-
rufen, deren Beschlüssen die Legislaturen oder Konventionen von ?°/s der
Staaten zustimmen müssen. In ähnlicher Weise kann jetzt in der Schweiz
nach der Verfassungsrevision vom 5. Juli 1891 eine Verfassungsänderung ohne
jede malsgebende Mitwirkung der regelmälsigen gesetzgebenden Organe statt-
finden. Die Initiative des Volkes (50000 stimmberechtigte Bürger) kann da-
nach für eine Partialrevision der Verfassung auch in der Form eines aus-
gearbeiteten Entwurfes ausgeübt werden und derselbe mufs der Abstimmung
des Volkes und der Stände auch dann unterbreitet werden, wenn die Bundes-
versammlung nicht zustimmt, einen Verwerfungsantrag oder einen Gegen-
entwurf aufstellt.