Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 134. Die Formen der Kompetenz-Kompetenz etc. 183 
8 134. 
Die Formen der Kompetenz-Kompetenz und der Schutz der Einzel- 
staaten. 
In den verschiedenen Bundesverfassungen sind die für Verfassungs- 
änderungen und damit für Kompetenzänderungen vorgeschriebenen be- 
sonderen und erschwerten Formen, die den formellen Unterschied von 
der einfachen Gesetzgebung begründen, verschieden gestaltet. 
In der Schweiz und in Nordamerika! geschieht dies durch 
eine dreifache Reihe von Bestimmungen, die ein überaus verwickeltes 
Verfahren bedingen. 
Zunächst durch eine besondere Gestaltung der gesetzgeberischen 
Initiative, für die noch anderweitige Faktoren als bei der einfachen 
Gesetzgebung berufen werden. In der Union sind dies die Einzel- 
staaten dergestalt, dafs der übereinstimmende Beschlufs von ?/s der- 
selben den gesetzgeberischen Prozels in Bewegung setzt, in der Eid- 
genossenschaft der Antrag von 50 000 stimmberechtigten Bürgern. 
In beiden Bundesverfassungen sodann treten den zur einfachen 
Gesetzgebung berufenen Organen für Verfassunssänderungen andere 
Faktoren mitwirkend und die Rechtsgültigkeit fernerweit bedingend 
hinzu. In der Union? sind dies die Leeislaturen oder — wenn der 
Kongrels so bestimmt — die Konventionen der Einzelstaaten, von 
denen °/s dem verfassungsändernden Beschluls des Kongresses zu- 
stimmen müssen. Es sind dies in der Schweiz die Schweizer Bürger- 
schaft und die Kantone dergestalt, dafs die Übereinstimmung der 
1 Schweizer Bundesverf. aa. 118— 123 (Revision vom 5. Juli 1891). Amerik. 
Unionsverf. art. V. 
?2 In einem Falle, der allerdings nie praktisch geworden ist, beruft die 
Unionsverfassung sogar vollkommen andere Faktoren zur Verfassungs- 
revision, als zur regelmäfsigen Gesetzgebung, dann nämlich, wenn die Initiative 
von 2s der Einzellegislaturen ausgeht. Hier ist der Kongrefs verpflichtet, 
eine „Konvention“, also eine verfassungsgebende Nationalversammlung zu be- 
rufen, deren Beschlüssen die Legislaturen oder Konventionen von ?°/s der 
Staaten zustimmen müssen. In ähnlicher Weise kann jetzt in der Schweiz 
nach der Verfassungsrevision vom 5. Juli 1891 eine Verfassungsänderung ohne 
jede malsgebende Mitwirkung der regelmälsigen gesetzgebenden Organe statt- 
finden. Die Initiative des Volkes (50000 stimmberechtigte Bürger) kann da- 
nach für eine Partialrevision der Verfassung auch in der Form eines aus- 
gearbeiteten Entwurfes ausgeübt werden und derselbe mufs der Abstimmung 
des Volkes und der Stände auch dann unterbreitet werden, wenn die Bundes- 
versammlung nicht zustimmt, einen Verwerfungsantrag oder einen Gegen- 
entwurf aufstellt.
	        
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