Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 134. Die Formen der Kompetenz-Kompetenz etc. 187 
jener Ermächtigung als aus- oder durchführende Bestimmungen er- 
geben. Alsdann bedarf allerdings eine fernere Erweiterung, wie auch 
eine Zurücknahme oder Beschränkung der interpretatorisch gefundenen 
Kompetenzbestimmungen der Form der Verfassungsänderung, aber 
nicht nur Änderungen der als aus- und durchführend erkannten Be- 
stimmungen, sondern auch anderweitige Regulierungen, welche sich 
unter jene kompetenzerweiternde Ermächtigung subsumieren lassen, 
fallen fernerhin der einfachen Gesetzgebung anheim. 
Ob der eine Fall einer Kompetenzabweichung ad hoc oder ob 
der andere Fall einer mit einer ausdrücklichen und textuellen Ver- 
fassungsänderung gleichwertigen Ermächtigung vorliegt, das zu ent- 
scheiden ist durchaus Sache der Auslegung’. Dieselbe wird es bis 
auf weiteres, vorbehaltlich der Bedeutung weiterer Häufung der Prä- 
cedenzfälle, kaum bezweifeln, dafs z. B. die einzelnen Dotationen 
der Einzelstaaten aus Reichssteuern, die einzelnen Unterstützungen 
künstlerischer und wissenschaftlicher Interessen von Reichs wegen nur 
Abweichungen ad hoc sind. Sie steht aber vor den äulfsersten 
Schwierigkeiten, wenn es gilt, in unterschiedslosen Gesetzen das aus- 
zusondern, was als verfassungsmälsige Kompetenzbestimmung und was 
als einfache gesetzliche Regelung zu gelten hat. Zweifellos z. B., dals 
durch das Gerichtsverfassungsgesetz, welches das Reichsgericht, durch 
jene anderen Gesetze, welche Verwaltungsgerichtshöfe schufen, die 
Kompetenz des Reiches erweitert wurde, ohne damit alle Einzel- 
bestimmungen zu verfassungsgesetzlichen zu stempeln; aber nicht 
minder zweifellos, dals die erweiterte Ermächtigung nicht darauf geht, 
alle ordentliche Gerichtsbarkeit oder alle Verwaltungsrechtsprechung 
auch nur auf den Gebieten der materiellen Reichskompetenz in be- 
liebigem Umfange und in beliebiger Instanz durch einfache Ge- 
setze an das Reich zu ziehen. Hier die scharfen rechtlichen Grenzen 
zu finden, würde für einen höchsten Gerichtshof eine kaum lösbare 
Aufgabe sein. Ihre Lösung nach rechtlichen Gesichtspunkten ist auf- 
gegeben, wenn sie, wie im deutschen Reiche, den politisch-legislativen 
Körperschaften überwiesen ist. 
Die Vernachlässigung der textuellen Unterscheidung zwischen der 
Verfassungsgesetzgebung und der einfachen Gesetzgebung hat auf ein- 
zelnen Gebieten zu einer Verwischung der Grenzen der Reichskompetenz 
geführt, die in keiner anderen Bundesverfassung ein Beispiel findet. 
III. Der Unterscheidungslosigkeit der Verfassungsgesetze, dem 
5 Ob Laband, Staatsr. d. d. R. I 548. 549 hiermit übereinstimmt, ist 
nicht deutlich. 
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