Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 136. Die Staatsart der Einzelstaaten. 799 
2. Aulserhalb der Kompetenz des Reiches liest die selbstän- 
dige Rechtssphäre der Einzelstaaten. 
Über die Aufgaben, die sie sich hier stellen wollen, über die 
Aberenzung, die sie hier ihrer Thätigkeit gegenüber den ihnen ein- 
gegliederten socialen Organisationen stecken, über die Macht- und 
Rechtsmittel, die ihnen hier zu Gebote gestellt werden sollen, ent- 
scheiden sie nach freiem, legislativem Ermessen in eigener Verfassung 
und in eigenen Gesetzen. 
Hier gebührt ihnen das ausschliefsliche Recht, von ihren 
Unterthanen auf der einen Seite Gehorsam zu fordern und ihnen auf 
der anderen Seite Art und Mais der staatsbürgerlichen und bürger- 
lichen Rechte zuzusprechen. 
Den Einzelstaaten stehen hier ihre Rechte in keinem anderen 
rechtlichen Sinne zu, als dem Reiche die seinigen. Sie sind vom 
Reiche oder sonst wem abgeleitetes Recht in keinem Sinne!. 
Sie sind es nicht darum, weil sie ihnen vom Reiche als deren ur- 
sprünglichem Inhaber übertragen wären. Die Annahme, dals die Einzel- 
staaten durch die Verträge, die zur Gründung des norddeutschen 
Bundes und des Reiches führten, „auf ihre bisherige Suveränetät zu 
gunsten einer zu konstituierenden CUentralgewalt verzichten, jedoch so, 
dals sie von letzterer einen grolsen Teil der Suveränetätsrechte zur 
Ausübung zurückempfangen“, ist eine vollkommene Verkehrung des 
Rechts- und Thatbestandes der Gründungsakte. Die Einzelstaaten im 
genauen Gegenteile waren es, welche die durch die vorgesehene Ver- 
fassung geforderten Rechte dem Reiche übertrugen, um im Besitze aller 
dadurch nicht berührten Befugnisse zu demselben Rechte zu verbleiben, zu 
dem sie ihnen bisher zustanden. Sie sind abgeleitete auch nicht darum, 
weil dem Reiche das Recht der Kompetenz-Kompetenz und damit einer 
anderweitigen Regulierung der Rechtssphäre der Einzelstaaten zusteht. 
Denn niemals, weder im Privat- noch im öffentlichen Rechte, wird ein 
subjektives Recht aus dem Grunde ein von dem subjektiven Rechte 
des Staates abgeleitetes, weil dasselbe den objektivrechtlichen 
Regulierungen des letzteren im Wege der einfachen oder Verfassungs- 
gesetzgebung unterliegt. 
Die hier in Frage stehenden Rechte der Einzelstaaten sind daher 
eigene Rechte derselben auf Grund und in Kraft ihrer eigenen Ver- 
1 So nehmen an Zorn, Bake, Borel. S. 8 31 Note 17. 18.19. Früher 
auch Jellinek, Staatenverbindungen 8. 44ff. 271f. 281 ff, jetzt aber in 
„Gesetz und Verordnung“, 1837, S. 201, richtig.
	        
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