$ 138. Die rechtliche Natur der Exemtionen. 809
verschiedenheiten hinausliegen. Sie sind allein Sonderrechte im Sinne
privilegierter Sonderstellungen und im Sinne des positiven Rechtes,
welches ihnen einen besonderen, den „Reservatrechten“ gleichen Schutz
gewährt.
Dahin gehören die Bestimmungen der Verfassung — 2.8 —,
welche für Bayern einen ständigen Sitz im Militärausschuls und den
Vorsitz im Ausschusse für die auswärtigen Angelegenheiten, sowie in
dem letzteren ständige Sitze für Sachsen und Württemberg vor-
schreiben*. Diesen Bestimmungen treten die bevorrechtigenden Zu-
sagen hinzu, welche das Reich in den Nebenverträgen zu den Ver-
fassungsverträgen an einzelne Staaten gemacht hat: an Bayern die
Stellvertretung im Vorsitz des Bundesrates und die Bevollmächtigung
seiner Gesandten, um die Reichsgesandten in Verhinderungsfällen zu
vertreten nach dem bayerischen Schlulsprotokoll vom 23. November
1870. VII. VIII. IX., an Württemberg einen ständigen Sitz im
Militärausschusse des Bundesrates nach der Militärkonvention vom
21.25. November 1870 a. 15 al. 2°.
Die die politischen Machtverhältnisse abwägenden organisatorischen
Bestimmungen lassen keinerlei Schluls auf die Rechtsstellung der be-
vorrechtigten oder anderer Einzelstaaten im Verhältnis zu den Kom-
petenzen des Reiches zu. Denn sie sind nicht nur vollkommen
verträglich mit der Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung der
Einzelstaaten gegenüber der Reichskompetenz, sondern sie finden
gerade ihre nächstliegende Erklärung in der Voraussetzung, dals die
Verschiedenheit der politischen Machtverhältnisse ihren Ausdruck in
Unterschieden der Reichskompetenz grundsätzlich nicht finden sollte.
Demgemäls kannte auch der Text der norddeutschen Ver-
fassung® in dieser Rücksicht keine Verschiedenheit der Rechts-
stellung der Einzelstaaten. Denn der Vorbehalt der Freihafen-
4 Hierher kann man auch noch rechnen die Rechte des Einflusses, welcher
einzelnen Staaten auf den Abschlufs gewisser völkerrechtlicher Verträge des
Reiches eingeräumt ist: für Post- und Telegraphenverträge mit den an Bayern
und Württemberg angrenzenden Mächten den genannten Einzelstaaten nach
R.V. a. 52 al. 3, für Zoll- und Handelsverträge mit Österreich und der Schweiz
den an diese grenzenden Einzelstaaten nach Schlufsprotokoll No. 8 zum Z.V.V.
vom 8. Juli 1867. S. $ 30 sub 3.
5 Eine gleiche Zusage ist auch von Preufsen an das Kgr. Sachsen nach
a. 2 al. 3 der Militärkonvention vom 7. Februar 1867 gemacht worden. |
& Der Text der norddeutschen Verfassung. Allerdings aus einzelnen
fortgeltenden Bestimmungen des Z.V.V. vom 8. Juli 1867 konnte man einzelne
unbedeutende Reservatrechte ableiten. Aber dieselben sind erst nachträglich
zur Zeit und auf Grund der neuen Formulierungen der R.V. entdeckt worden.