Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

832 I. Buch. Die Reichsgewalt. 
heiten die Vertretung des deutschen Volkes. Er hat daher irgend 
eine rechtliche Kompetenz und Einwirkung ausschlieislich in Beziehung 
zu Organen des Reiches und er unterliegt — in Berufung, Schliefsung, 
Vertagung, Auflösung — den Prärogativen der Krone, die dem 
Kaiser zustehen. Er ist damit nicht minder Organ des. Reiches 
selbst, nur mit einer anderen Kompetenz, wie es der Reichstag ist?. 
Hieraus, aus der rechtlichen Natur aller in Landesangelegenheiten 
fungierenden Staatsorgane als Organen des Reiches, ergeben sich 
mit logisch-juristischer Folgerichtigkeit die rechtlichen Auffassungen 
über die Landesgesetzgebung, die Landesangehörigkeit und die 
Landesfinanzen. 
1. Ein Unterschied von Reichsgesetzen und Landes- 
gesetzen im Sinne von R.V. a. 2 besteht für Elsals-Lothringen 
nicht. Auch die Landesgesetze sind hier Reichsgesetze. Aber sie 
sind Reichsgesetze für die Landesangelegenheiten Elsafs-Lothringens, 
welche verfassungsmälsig zu ibrer Rechtseültigkeit das Zusammen- 
wirken besonderer Organe in besonderen Formen voraussetzen. Darum 
sehen aber nicht minder die Reichsgesetze den Landesgesetzen vor — 
aber nicht darum, weil die verfassungsmälsige Kompetenz des Reiches 
jede entgegenstehende Kompetenz irgend eines Einzelstaates verneint, 
sondern weil jedesin der Form der elsafs-lothringischen Landes gesetz- 
gebung ergehende Gesetz rechtsungültig ist, welches nach seinem In- 
halt, nach der verfassungsmälsigen Verteilung der gesetzgeberischen 
Kompetenz zwischen den verschiedenen Reichsorganen die gemein- 
gültige Form eines Reichsgesetzes voraussetzt. 
2. Der Unterschied von Reichsangehöriekeit und 
Staatsangehörigkeit besteht in Elsafs-Lothringen nicht. An 
Stelle desselben tritt hier die ausschlie[lsliche Reichsangehörigkeit. 
2 G.Meyer, Lehrb. d. d. Staatsr. $ 141, insbes. Note 3, behauptet gegen 
Laband, der Landesausschuls habe den Charakter einer Provinzialvertretung, 
sei also Organ des Reichslandes als solchen und nicht des Reiches. Das kann 
weder aus seiner Besetzungsart — er geht aus Wahlen der Vertretungen der 
Selbstverwaltungskörper (Bezirkstage und Gemeinderäte) hervor —, noch durch 
seinen verfassungsmälsigen Beruf für das Land, für die elsafs-lothringische 
Bevölkerung thätig zu sein — diesen Beruf haben je nach ihrer Kompetenz 
alle Reichsorgane für die Landesangelegenheiten —, dargethan werden. Die 
Analogie mit den Landtagen der österreichischen Kronländer ist ebenso, wie 
die Analogie mit den preufsischen Provinziallandtagen durchaus falsch. Sie 
übersieht den entscheidenden Punkt, dafs nach der Verfassung Österreichs die 
Kronländer als selbständige korporative Verbände der Selbstverwaltung kon- 
stituiert sind, deren Organen — den Landesvertretungen — zugleich Rechte 
der Einwirkung auf die Staatsgewalt, insbesondere auf die Gesetzgebung in 
Landesangelegenheiten, eingeräumt sind.
	        
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