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rechtliche Wirkung beiwohnen. Um die völkerrechtlich gültig angeeig-
neten Gebiete in das verfassungsmälsige Rechtsverhältnis einer Kolonie
zum Reiche zu setzen, bedurfte es des Eintretens der Reichsgesetzgebung.
Dasselbe ist erfolgt einleitend durch Klauseln des Etatsgesetzes® und
definitiv durch das Gesetz vom 17. April 1886 über die Rechtsver-
hältnisse der deutschen Schutzgebiete, welches, nachdem es durch die
Gesetze vom 17. Juli 1887 und 15. März 1888 abgeändert und er-
eänzt worden war, seine Redaktion in der Bekanntmachung des
Reichskanzlers vom 19. März 1888 gefunden hat*.
5 Ergänzungsetat für 1835/86, Anlagen zu den Verhandlungen des Reichs-
tages 1884/85 No. 155 u. 178.
6 Die Meinung — hervorgetreten in den Regierungsmotiven zum Gesetz-
entwurfe, betr. die Rechtspflege in den Schutzgebieten (Anlage zu den Verh.
des Reichstages 1885/86 No. 81), im Kommissionsbericht darüber (ebenda No. 201),
in den Verhandlungen des Reichstages 1885/86 S. 653 ff. 1606 ff. 2027 ff., weiter
ausgeführt von Bornhak (Die Anfänge d. d. Kolonialstaatsrechtes, Archiv für
öff. Recht IT 3 ff.) —, 1. dafs die Begründung einer deutschen Kolonie durch
einseitige Akte des Kaisers, 2. dafs die Regelung des’Kolonialrechtes, soweit
nicht die Mitwirkung inländischer Behörden oder die Anerkennung der Akte
der Kolonialbehörden im Inlande in Frage stehen, durch Verordnungen (des
Kaisers? des Bundesrates?) erfolgen könne, führt in allen begründenden De-
duktionen zu dem Resultate, dafs die Verfassungsklausel „Gesetzgebung über
die Kolonisation“ als nicht geschrieben gilt. Dafs (zu 2.) irgend welche Re-
gelung, welche den Akten aufserhalb des Bundesgebietes fungierender Be-
hörden rechtliche Wirkung im Inlande verschafft, soweit nicht völkerrechtliche
Verträge in Betracht kommen, der Gesetzgebung anheimfällt, ist ganz selbst-
verständlich und es ist dafür ganz gleichgültig, ob jene Behörde in deutschen
Kolonieen oder sonstwo im Auslande fungiert. Hierfür ist die Klausel des
R.V.a. 4, ı nicht nur überflüssig, sondern sie kann in ihrer Wortfassung, die auf
Kolonisation, d. h. auf den Akt der Begründung der Kolonie
selbst und nicht blofs auf eine Wirkung der bereits gegründeten Kolonie
hingeht, diesen Sinn gar nicht ausdrücken wollen. Das Recht (zu 1.), ein
Kolonialverhältnis zwischen Deutschland und irgend einem Tochterlande zu
stiften, auf Grund des a. 11 dem Kaiser zuzuschreiben, ist nur möglich, wenn
man nicht nur die Erwerbungsakte und die Vertretung der Kolonie in ihren
Beziehungen zu dritten Staaten, sondern das innere Verhältnis des Heimats-
staates zur Kolonie im technischen Sinne als ein völkerrechtliches Verhältnis
auffafst, was es seiner Natur nach nicht ist. Aber auch abgesehen hiervon,
kann man das Resultat auch hier wiederum nur gewinnen, wenn man das in
a. 4, ı geordnete Gesetzgebungsrecht auf irgend welche Wirkungen oder
Rückwirkungen der gestifteten Kolonie, als des Produktes einer Kolonisation,
nicht aber, was der Wortlaut allein besagt, auf die Kolonisation selbst
bezieht. Endlich beruft man sich auf a. 2: „Innerhalb dieses Bundesgebietes
übt das Reich das Recht der Gesetzgebung nach Mafsgabe des Inhaltes dieser
Verfassung aus“ und folgert, weil Kolonieen aufserhalb dieses Bundesgebietes
liegen, so greift ein Gesetzgebungsakt für die deutschen Kolonieen nicht