842 II. Buch. Die Reichsgewalt,
ansprucht und ausübt, einen besonderen rechtlichen Charakter
an sich.
I. Die Kolonialgewalt ist nicht schlechthin Staats-
gsewalt!.
Allerdings hat dieselbe ihrem äulseren Machtbereiche
nach mit der Staatsgewalt die Beziehung auf ein geographisch ab-
gegrenztes Gebiet gemein. Sie ist eine territoriale Gewalt. Auch
die Schutzgebiete sind Gebiete des Reiches, insofern sie seiner Kolo-
nialgewalt unterliegen, obwohl sie nicht „Bundesgebiet“ sind im Sinne
sowohl der R.V. a. 1, als aller derjenigen Gesetze, welche das
„Bundesgebiet“ als Thatbestandsmoment der zu regelnden Verhältnisse
voraussetzen. Das Bundesgebiet und das Schutzgebiet stehen sich
daher überall da wie Inland und Ausland gegenüber, wo Gesetze
oder Anordnungen nur das eine oder das andere als ihr Geltungs-
gebiet bestimmen, aber nicht minder sind beide ununterschieden In-
land des Reiches, wenn die Absicht der Gesetze und gesetzmälsigen
Anordnungen auf gleichmäfsige Geltung für beide gerichtet ist?.
Allerdings ist auch die Kolonialgewalt der allgemeinen Form
nach eine Herrschaft über Land und Leute und zwar eine solche,
welche eine ihr übergeordnete oder nebengeordnete gleichartige Herr-
schaft ausschliefst. Sie ist suveräne Herrschaft.
Allein trotzdem ist sie ihrem Inhalte und ihrer Absicht nach
eine durchaus eigenartige.
Staat und Staatsgewalt kann ohne Verflüchtigung fester Begriffs-
bildungen nur ausgesagt werden von einer korporativ gestalteten
Gesellschaft, deren Organen Herrschaftsrechte um ihrer Mitglieder
willen und zur Verwirklichung des verfassungsmälsigen Gemeinzweckes
an diesen Mitgliedern zustehen. Alle Staatsgewalt wird ausgeübt über
Unterthanen, die dies — im Unterschiede von „Fremden* —
sind, weil sie zugleich als Staatsbürger, als anteilsberechtigt an der
Erfüllung des gemeingültigen Staatszweckes anerkannt sind. Die
1 Die Auffassung Jo&ls, Panns, Labands, die Kolonialgewalt als
Protektorat oder Oberstaatsgewalt über andere Unterstaatsgewalten zu be-
trachten, ist gegenstandlos, soviel das Verhältnis zu den Kolonialgesellschaften
betrifft, durch Übergang ihrer Verwaltungsbefugnisse auf das Reich, soviel
das Verhältnis zu den eingeborenen Autoritäten betrifft, weil man nicht jede
beherrschte Gesellschaft ohne Preisgebung präziser Begriffsbildungen als Staat
bezeichnen kann. Sie darf insbesondere nach der Polemik G. Meyers
— Staatsrechtliche Stellung S. 67 fl. — als wissenschaftlich aufgegeben be-
trachtet werden.
2 Über die vielfachen Schwierigkeiten der Interpretation s. insbesondere
G. Meyer, Staatsrechtliche Stellung S. 88 ff.