844 II. Buch. Die Reichsgewalt.
den Kaiser ermächtigt, beide Gesetze durch ergänzende und ab-
ändernde Verordnungen. an bestimmten, gesetzlich bezeichneten Punkten
den besonderen Verhältnissen anzupassen.
Damit ist in den Schutzgebieten die objektive Rechtsordnung für
das Privatrecht, das Strafrecht, das gerichtliche Verfahren einschliels-
lich der Gerichtsverfassung geschaffen worden und zwar dergestalt,
dafs — vorbehaltlich lokalen Handelsgewohnheitsrechtes — die ein-
schlagenden Reichsgesetze und überdies für das bürgerliche Recht die
allgemeinen im Geltungsgebiete des preulsischen allgemeinen Land-
rechtes anzuwendenden Gesetze als geltend angenommen werden.
Aber diese Rechtsordnung gilt kraft Gesetzes nicht territorial,
sondern nur für den bestimmten Personenkreis der Reichsangehörigen.
Diese werden für ihre Personen innerhalb der Schutzgebiete zu einer
besonderen, in diesem Sinne exemten und privilegierten Rechts-
genossenschaft zusammengeschlossen. Soweit das ihnen hiermit zu-
erkannte Recht reicht, sind sie von jeder anderen im Schutzgebiete
sonst anerkannten Autorität, sei es der Eingeborenen, sei es der
Kolonialgesellschaften, losgelöst. Dasselbe kann nur von Reichs wegen
aufgehoben, abgeändert oder beschränkt werden. Insbesondere unter-
liegen die Reichsangehörigen in allen Streitigkeiten unter sich, in
allen Fällen, in denen gegen sie als Beklagte oder Angeschuldigte
oder sonst am Prozels Beteiligte Gerichtszwang ausgeübt werden soll,
ausschliefslich der Gerichtsbarkeit des Reiches, die nur durch von Reichs
wegen hierzu ermächtigte Beamte ausgeübt werden kann®. Und auch
Inkrafttreten überhaupt — und noch weniger die Wiederaufhebung — seinem
Ermessen anheimfiele, sondern nur in dem Sinne, dafs er über den Zeit-
punkt zu befinden hat, zu welchem die thatsächlichen Bedingungen der An-
wendbarkeit beider Gesetze eingetreten sind. Die Einführung ist übrigens
ausnahmslos für alle Schutzgebiete eingetreten, für Neuguinea durch V.O.
vom 5. Juni 1886 und 13. Juli 1888, für die Marschallinseln durch V.O. vom
13. September 1886 und 7. Februar 1890, für die Salomoninseln durch V.O.
vom 11. Januar 1887, für Deutsch-Ostafrika durch V.O. vom 18. November
1887 und 1. Januar 1891, für Südwestafrika durch V.O. vom 21. Dezember
1887 und 10. August 1890, für Kamerun und Togo durch V.O. vom 2. Juli 1888.
* Nach $ 5 des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes und $ 1 des Schutz-
gebietsgesetzes kann allerdings der Reichskanzler „neben dem Konsul, sowie
an Stelle desselben einem anderen Beamten die Befugnisse des Konsuls bei
Ausübung der Gerichtsbarkeit übertragen“ und zweifellos kann dieser
andere auch der Beamte einer Kolonialgesellschaft sein, allein in seinem
übertragenen Wirkungskreise ist der Beamte nicht Beamter der Gesell-
schaft, sondern hat gerade kraft dieser gesetzlichen Bestimmung die Eigen-
schaft eines Reichsbeamten, der denselben Dienstvorschriften und derselben
Diseiplin unterliegt, wie der Konsul. Anderer Meinung wohl auch nicht