Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

74 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Gestaltung der konstitutionellen Institutionen, so auch die wissenschaft- 
liche Bearbeitung aller Grundbegriffe der Staatswissenschaften und 
hierunter des Staatsrechtes unter dem malsgebenden Einflusse der 
vorlängst konsolidierten Einheitsstaaten in Frankreich und England 
und deren publieistischer Litteratur stattgefunden hat. 
Erst in jüngster Zeit ist Deutschland übergegangen zu einer Form 
seines politischen Gemeinwesens, das, was auch seine nähere rechtliche 
Natur sei, zweifellos ein zusammengesetztes Staatswesen in eigentüm- 
lichem und verwickeltem Zusammenwirken staatlicher Organisationen 
und Funktionen darstelle. Gewils ist es, dafs die Begriffs- 
bestimmungen, die über dem Einheitsstaate abgezogen sind, nicht aus- 
reichend sind, dals für neue thatsächliche Erscheinungen neue wissen- 
schaftliche Kategorieen gebildet werden müssen. Möglich ist es, dals 
die bisher gebildeten Begriffe einer Umbildung unterzogen, viel- 
leicht auch dals die bisherigen Terminologieen eine Anwendung und 
Ausdehnung auf Erscheinungen mit anderen als den bisher darunter 
verstandenen Merkmalen finden müssen. 
Trotzdem ist es eine unrichtige wissenschaftliche Methode, die 
festen Begriffsbestimmungen und Terminologieen, die am Einheits- 
staate gewonnen worden sind, im voraus preiszugeben und sie als 
einen logischen Stoff zu behandeln, dem man nach wechselndem Be- 
darf Merkmale entziehen oder hinzufügen kann. 
Dem widerspricht das wissenschaftliche Gesetz, dafs das Verständnis 
jeder komplizierten Erscheinung bedingt ist durch die scharfe Erfassung 
der einfachen Erscheinungen, aus deren Modifikation oder Kombination 
jene hervorgegangen ist. Vor allen Dingen gerade dann, wenn eine 
Umbildung der über bestimmten Erscheinungen abgezogenen Begriffe 
behufs Erfassung anderer Erscheinungen in Frage steht, ist es wissen- 
schaftliches Gebot, durch Feststellung des bisherigen Begriffes den 
Abstand und den Unterschied genau zu bezeichnen, den die neue Be- 
griffisbildung im Verhältnis zu der bisherigen aufweist. Doppelt und 
dreifach aber gilt dies, wenn für einen bestimmten Begriff ausgeprägte 
Bezeichnungen jetzt auf einen modifizierten, insbesondere auf einen er- 
weiterten Begriff übertragen werden sollen. Wird es hier, wie nur 
zu häufig, versäumt, die Umbildung der Terminologie durch die scharfe 
Hervorhebung des bisher damit bezeichneten Begriffes klar zu stellen, 
dann tritt unfehlbar an die Stelle sachlicher Erörterung und objektiver 
Feststellung das leere Worteefecht und die individuelle Willkür. 
Die rechtlichen Grundverhältnisse, die Begriffsbestimmungen und 
Terminologsieen des Einheitsstaates sind es daher, die auch für 
(das deutsche Staatswesen den Ausgangspunkt und Malsstab zu
	        
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