854 II. Buch. Die Reichsgewalt.
der deutschen Schutzgebiete herrschaftliche Rechte, sei es lediglich
über die Eingeborenen oder auch über Reichsangehörige und Fremde
zu erwerben und auszuüben, welche im Bundesgebiete nach gemein-
gültigem Rechte von Privaten nicht erworben und ausgeübt werden
können.
In der Eigentümlichkeit der Kolonisation uncivilisierter Länder
ist es begründet, dafs der Erwerb gerade solcher Rechte von seiten
einzelner Unternehmer oder Gesellschaften vielfach erst die Grund-
lage bildet, auf welche hin das Mutterland die Herrschaft überhaupt
oder doch die effektive Herrschaft über das Kolonialgebiet ergreift.
Hierdurch aber wird der Erwerb jener Herrschaftsrechte seitens der
Privaten als ein zu Recht geschehener und geschehender von dem
Heimatsstaate anerkannt. Das hat auch für die deutschen Kolonieen
Platz gegriffen.
Die Schutzbriefe, welche der Kaiser der deutsch-ostafrikanischen
Gesellschaft unter dem 27. Februar 1885, der Neu-Guinea-Kompagnie
unter dem 17. März 1885 und — bezüglich der Salomoninseln —
unter dem 13. Dezember 1886 erteilte, haben nicht nur die völker-
rechtliche Bedeutung, die von den Gesellschaften occupierten Land-
striche als deutsche Schutzgebiete zu proklamieren, sondern zugleich
die andere Bedeutung, die von den Gesellschaften erworbenen Hoheits-
rechte auch im Verhältnis zum Reiche selbst anzuerkennen und ihnen
das Recht weiteren Erwerbes zuzuerkennen. Die Gerichtsbarkeit so-
wohl über die Eingeborenen als über die Angehörigen des Reiches
und anderer Staaten, die „Ausübung landeshoheitlicher Befugnisse“
überhaupt, das ausschliefsliche Recht, herrenloses Land in Besitz
zu nehmen und Mineralien zu gewinnen, die Münzprägung, die Er-
hebung von Zöllen und Abgaben, die Bildung von Schutztruppen sind
hierbei ausdrücklich genannt oder unbezweifelt einbegriffen.
Das Schutzgebietsgesetz hat weiterhin in seinem $ 8 die durch
kaiserliche Schutzbriefe bewirkte ‘oder zu bewirkende Übertragung der
„Ausübung von Hoheitsrechten“ ‚in den deutschen Schutzgebieten als
zu Recht bestehend vorausgesetzt und selbst die Befugnis des Reichs-
kanzlers zum Erlasse von Ausführungsbestimmungen zu jenem Gesetze
und von polizeilichen und sonstigen die Verwaltung betreffenden Straf-
vorschriften auf mit Schutzbrief versehene Gesellschaften für über-
tragbar erklärt. Nur kann nach ihm die Gerichtsbarkeit über Reichs-
angehörige und Schutzgenossen im engeren Sinne fernerhin nur von
Reichs wegen, durch vom Reichskanzler zu ermächtigende Beamte
ausgeübt werden.
Allerdings haben die einschlagenden Bestimmungen der Schutz-